Philharmonischer Chor Kiel

Kieler Nachrichten, 17.11.2012

Mozart-Konzert:
Lichterscheinung mit Schattenseiten

Von Christian Strehk

Kiel. Märchenstunden haben gerne etwas der Zeit Entrücktes, Verträumtes, Herzerwärmendes. Im ungewöhnlichen zweiten Mozart-Konzert der Musikfreunde verstand es Barbara Kler, Kapellmeisterin und Chordirektorin des Kieler Theaters, die Hörer in der bestens besuchten Petrus-Kirche sanft in die Zauberklangwelten des französischen Mozart-Fans Maurice Ravel zu entführen. Nicht alle Tage hört man die Kieler Philharmoniker so feinversponnen wie in den neoklassizistischen Märchenstücken Ma Mère l'Oye. Da zwitschern – mitten im November – die Vögel, betört die Schöne ein sympathisch grunzendes Biest oder rauschen, wie ein fernes Echo vom graziös gedämpften langsamen Satz aus Mozarts G-Dur-Sinfonie KV 199, sanft allerlei Feenflügel.

Mediterranes Licht erhellte auch das große Halleluja um die Himmelskönigin in Mozarts Regina coeli KV127, prägte die neu entdeckte Leichtigkeit im Philharmonischen Chor und gab der Sopranistin Susan Gouthro Gelegenheit, sich behutsam mehr und mehr ins Jubilieren einzumischen.

Allerdings kannte so viel Pastellmalerei und Detailverliebheit auch ihre Schattenseiten. Klers hypersensible Vorsicht führte bisweilen zu Unentschiedenheit und wackligem Einsatzwillen. Hier und da sorgte zumindest Konzertmeister Maximilian Lohse vom ersten Pult aus für etwas mehr von jenem Sturm und Drang, der eigentlich Mozarts d-Moll-Offertorium Misericordias Domini KV 222 dramatisch irdisch verfinstern oder die Furien in der Konzertarie Misera, dove son KV 369 herausfordern soll.

Den poetisch naiven Maurice-Ravel-Raritäten des Konzerts, jenen Rom-Preis-Bewerbungskantaten Matinée de Provence und Tout est lumière, die übrigens in der neu bei Decca/Universal zusammengestellten CD-„Gesamtedition“-Mogelpackung sträflich fehlen, machte das weniger aus. Im Gegenteil: Etwas Flimmern und Wabern erhöhte hier die sensorische Qualität – märchenhaft.

Zuletzt geändert am 17.11.2012