Philharmonischer Chor Kiel

Neue Freuden nach der Zeit der Trauer

Kieler Philharmonisches Konzert mit Brahms’ „Ein Deutsches Requiem“ im Schloss

Kieler Nachrichten, 21.11.2011

Von Christian Strehk

Kiel. Getröstet werden mag manchem am Totensonnrag als ein frommer Wunsch erscheinen. Wer jedoch aus einer gelungenen Aufführung von Johannes Brahms’ immer noch unübertroffen selig stimmendem Hauptwerk Ein Deutsches Requiem kommt, ist allem Trost auf Erden garantiert ein Stück näher gerückt.

Generalmusikdirektor Georg Fritzsch hat es endlich wieder gewagt, dem behutsam wiederauferstandenen Philharmonischen Chor eine ganz große Aufgabe zukommen zu lassen. Brahms’ Opus 45 fordert gleichermaßen Stehvermögen, Kraft, Legato-Kultur, Deutlichkeit, Intonationssicherheit wie höchste Sensibilität. Diesmal ohne die unerschütterliche Schützenhilfe der Profis vom Opernchor, dafür aber verstärkt durch Gäste von der Schweriner Singakademie (Einstudie­rung: Ulrich Barthel) begeistern die Choristen vor allem im Piano und Pianissimo mit „sprechendem“ Gesang das Publikum. Und über das wirklich deutlich gemachte deutschsprachige Wort (Einstudierung: Barbara Kler) transportieren sie überall die Botschaft, die in der kämp­ferisch ironischen Frage „Hölle, wo ist dein Sieg?“ wirkungsmächtig gipfelt.

Ein klanglicher Coup gelingt Fritzsch durch die Einbeziehung des Jugendchores, der (einstudiert von Michael Nündel und Ralf Popken) nur in den hakeligen Fugen schweigt. Vor allem in Sopran und Alt breitet sich ein reizvoll naiver Glanz aus, der der Totenmesse den ingrimmigen Ernst nimmt.

Fritschs’ eher lichte als düster verdichtete Interpretation, die zwar extrem langsam anhebt, aber schon im ersten Satz immer mehr Tempo und Zug aufnimmt, ist geprägt von ehrlich empfundenem, texttreuem Musizieren. Die Philharmoniker dürfen gleichwohl bei der Wiederholung heute Abend noch hellhöriger aufeinander reagieren und im Forte (etwa in der Fuge „Der gerechten Seelen sind in Gottes Hand“) gegenüber dem akustisch im Schloss benachteiligten Chor noch behutsamer agieren.

Überhaupt würde man der Aufführung manchmal mehr überirdische Ruhe wünschen. Auch die türkische Sopranistin Şen Acar singt die heikle Arie „Ihr habt nun Traurigkeit“ derart flüssig und ungefährdet schön, dass die darin eigentlich erst fürs Jenseits versprochene Freude schon gegenwärtig erscheint. Der japanische Edelbariton Tomohiro Takada, eine Idealbesetzung, lässt da mehr Demut und Geheimnis mitschwingen. Andächtige Momente und herzliche Ovationen im gut besuchten Saal.

Zuletzt geändert am 21.11.2011