Philharmonischer Chor Kiel

Kieler Neueste Nachrichten, 14.03.1923

Beethoven-Konzert
des Vereins der Musikfreunde.

Beethoven ist die deutsche Musikseele. In seiner Schöpfung durchtränken einander Gedanke und Gefühl. Der Gedanke empfängt vom Gefühl Wärme und Schwung, das Gefühl vom Gedanken Klarheit und edles Maß. Beethoven ragt ins Uebermenschliche. Von hohen schneeweißen Firnen her und herab von der leuchtenden Kuppel des Himmels mit seinen brennenden Sonnen klingen und singen Beetho­vens Töne. Er holt der lichten Sphären Klang herab und trägt sie dann im Chore hochgestimmter Menschen zum Himmel mächtig wieder empor. Ein Mysterium ist Beethoven. Er kann letzten Grundes nur gefühlsmäßig geahnt werden. Tausend Freudigkeiten tun sich oben­drein dem auf, der das kunstreiche Gefüge der Beethovenklänge erschaut, der ihrer edlen Formung und ihrer schönen linienreichen Zeichnung folgt. „Auf die Plejaden gerichtet und auf Bootes“ sind alle Herzen und Sinne, die der heilige Zauber dieser Kunst gefangen nimmt. Im langen, feierlichen Zuge kommen sie daher, die ergriffen sind von Beethovens Geist, die Herzen voll Ehrerbietung und auf ihren Händen tragend die Opferschale der Dankenden — —

Zu einer solchen Beethovenstunde gestaltete sich das 6. Sympho­niekonzert, mit dem der „Verein der Musikfreunde“ seine diesmalige Spielzeit beschloß. Das „Städtische Orchester“ und der „O­ratorienverein“ bewältigten ihre Aufgabe mit der abgerundeten Wiedergabe der C-dur-Messe und der Neunten Sympho­nie. In beiden Werken wurde das Solistenquartett gestellt von Rose Walter und Fräulein von Hoesslin aus Berlin im Sopran und Alt, Herrn Bauer aus Frankfurt a. M. und Herrn Fritz Kaufmann aus Berlin in Tenor und Baß. Wer hätte Lust und Neigung, bei etlichen Unzulänglichkeiten zu verweilen? Ueberblickt man das Ganze, so ist der Aufführung würdiger Gehalt freudig zuzusprechen.

Her Professor Stein darf in der Leitung der sechs Symphonie­konzerte auf eine reiche und hochwertige Arbeit zurückblicken. Aus allen Stilarten und Zeiten, aus der vollendeten Schöpfung nicht mehr umstrittener Meister und dem Schaffen solcher Geister, deren Werk, von der Parteien Haß und Gunst verwirrt, in der Beurteilung schwankt, haben wir Charakterwerke gehört. Solchem Wirken gebührt Anerkennung. S—g

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