Philharmonischer Chor Kiel

Kieler Neueste Nachrichten, 20.04.1919

Oratorienverein: Der Messias von Händel. Eine Musik voll tiefsten Empfindens, geboren aus einer leidenschaftlich bewegten Seele, geführt von einem klug wägenden Geiste. Es ist ein „langes Stück“, der Messias. Da ist es für die tausend Zuhörer besonders nötig, dem Werke Gipfelpunkte zu geben: ein „Gloria“ so heiß und groß und nach dem Himmel greifend mit weit gebreiteten Armen, daß jeder, der's hört, mit hineingerissen wird in dieses Jauchzen und Danken einer Welt – und in das überselige Glücksrufen von Herrlichkeit und Friede­fürst. Solcher Gipfel sind noch mehr und zwischen ihnen die Ebene (bitte: Hochebene!) der Kunst, wo alles Größe und Erhabenheit bleibt, aber beschaulich wird. Was Prof. S t e i n mit der Messias-Aufführung geleistet hat, verdient rückhaltlose Anerkennung. Der Schwerpunkt des Abens lag in der C h o r wirkung. Ein ausgezeichneter Sopran ist hier am Werke, dazu ein frisch wirkender Gesamt-Klangkörper von straffer rhytmischer Geschultheit, sauberer Intonation, merkbar ge­tragen von herzlichem Eifer. Ruhig und sicher, ein streng verläßlicher Führer, waltete der Dirigent des Taktstocks, so daß die Aufführung sich rundete zu würdigem Gesamtgelingen. Das O r ch e s t e r vom „Verein der Musikfreunde“, Dr. O p p e l am Cembalo, und von den Solisten der Bassist E g g e r t, der durch einen weich und voll klingenden Gesang erfreute, fügten sich dem guten Klangbilde ein. Unzureichend waren der kreidig klingende, nicht straff rhythmi­sie­rende Tenorist G r u n e r t, der zu schwächlich klingende Alt des Frl. M o l n a r und der das Ohr beleidigende Sopran des Frl. R o d e g g. Eine tausendköpfige Zuhörerschaft hatte sich einge­funden, sich zu erlaben an lange entbehrter oratorischer Chormusik. S–g.

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