Philharmonischer Chor Kiel

Kieler Neueste Nachrichten, 13.11.1919

Konzert des Oratorien-Vereins.Die Jahreszeiten“ von Haydn. Seit vielen Jahren sind die bunten, klangschönen und herzensfrischen Klänge der „Jahreszeiten“ in unserer Stadt nicht gehört worden. Der Oratorien-Verein wird sicher vielen Zuhörern nicht nur die Freude des Augenblicks bereitet, er wird auch Erinnerungs­bilder heraufbeschworen haben aus den Zeiten, da die vornehme Künstlerschaft eines Zur Mühlen und Meschaert im Dienste hiesiger Oratorienkunst stand. Diesmal waren einheimische Sänger am solistischen Werke Fräulein Anna Stuhr sang die Sopran-Partie. Verständig wußte sie ihre stimmlichen Mittel zu verwenden. Dem Vortrag hätte man zuzeiten mehr Mannigfaltigkeit gewünscht und zwingenderen Ausdruck. Herr Opernsänger v. d. Heydt sang den Lucas. Sein angenehm klingender Tenor bewährte sich auch im Konzertgesange und brachte es zu manchen sympathischen Wir­kungen. Herr Eggert verkündete mit wohlklingendem Baß die freundlichen Gedanken des Simon. Leider hat sich der Sänger eine Art angewöhnt, die Töne mit Druck und Stoß zu überlasten.In diesem ständigen übergroßen Aufwand an Energie wird die feinere Linie im Ausdruck beeinträchtigt. Professor Stein hatte das Werk mit Sorg­falt einstudiert. Das verdient in reichem Maße Anerkennung; doch muß hinzugefügt werden, daß es an straffer Rhythmik fehlte. Der Chor war mit ersichtlicher Freude und Hingabe am Werke beteiligt. Im ersten Teile besonders war die Intonation meist zu tief. Die guten Fähigkeiten, die der Chor entwickelte, werden sich bei weiterem Studium zu ersteigerten Leistungen verdichten. Das Orchester widmete sich mit gewohnter Anpassungsfähigkeit der instrumentalen Untermalung der Gesänge. Haydn wurde auch in diesem Konzerte der gütige Freudenbringer. Den hingebungsfrohen Dienern an seinem Werke wurde lebhafter Beifall gespendet. S—g.

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