Philharmonischer Chor Kiel

Kieler Neueste Nachrichten, 13.05.1920

Verein der Musikfreunde

Außerordentliches Symphoniekonzert.

In einem außerordentliches Symphoniekonzert hatte sich das Städtische Orchester unter Professor Steins Leitung mit dem Kieler Oratorienverein vereinigt, um in Beethovens C-dur-Messe und dessen Neunter Symphonie hochge­stellte Aufgaben zu lösen. Wenn man von der vorübergehenden Entgleisung gelegentlich des Benedictus absieht, so muß zunächst die Wiedergabe der Messe als zur Hauptsache vortrefflich bezeichnet werden, sowohl hinsichtlich der Intonation und des Klanges, als nach der Seite gut abwägenden Vortrags, und zwar beides im Hinblick auf den Chor und mit Rücksicht auf die Solisten, denen innerhalb des sehr schönen Werks ungemein dankbare Aufgaben gestellt sind. Zwar ließ sich ein glücklicheres klangliches Zusammenpassen wohl denken, als das den Stimmen der 4 Solisten nach der Natur ihres Organs gegeben war; andererseits aber bemühten sich alle (Käthe Neugebau­er-Ravoth - Hamburg (Sopran), Else Günther-Vetter - Kiel (Alt), Fritz von der Heydt (Tenor) und Karl Eggert (Baß), beide vom Stadttheater) durch wohlerwogene Abschattung des Klan­ges und durchdachten Vortrag um die Einheit in der Gesamtwir­kung. So gelang ihnen alles durchaus würdig, manches ausgezeichnet. Ich erinnere an das Qui tollis im Gloria und das „de spiritu sancto Maria virgine“ im Credo. Der stattliche Chor sang mit Frische und offenkundiger Hinge­bung. Neben guten Durchschnittsleistungen hatte auch er prächtige Momente, so am Schlusse des Gloria, ferner in den kurzen, prägnan­ten Fugeti „et vitam venturi saeculi“ und „Osanna“. Von trefflicher Wirkung war auch das „passus et sepultus“, ebenso der Männerchorsatz „Qui propter nos homines“ klang recht gut. Kurz, die Messe hinterließ einen vorzüg­lichen Eindruck, mit dem sich freilich die Chorleistung im besten Satz der „Neunten“ nicht messen konnte. Auch die Leistung der Solisten trat im allgemeinen an diesen Stellen um Einiges zurück. Freilich müssen hier andere Maßstäbe zur Anwendung gelangen. Die außerordentlichen Schwierigkeiten, die Meister Beethoven hier den Solisten wie dem Chor, namentlich den oft an der Stimmgrenze beschäftigten Chorsopranen zumutet, muß bei der Beurteilung als gewichtiger Faktor in Rechnung gestellt werden, um so mehr, als der Chor schon in der Messe allerlei herzugeben hatte. wenn darum in der „Neunten“ nicht alles so gelang, wie es von dem mit Umsicht und Energie den Stab führenden Dirigenten angestrebt wurde, so verschlägt das nicht allzuviel hinsichtlich der zweifellos bedeutenden Gesamtwirkung, an der das klangschön musizierende Orchester gewichtigen Anteil hatte; und es gebührt allen Ausführenden, nicht zum Letzten Prof. Stein, ein Wort der Anerkennung und des Dankes für ernste und umfassende künstle­rische Arbeit. W. O.

Zuletzt geändert am