Philharmonischer Chor Kiel

Kieler Neueste Nachrichten, 23.12.1919

Oratorien-Verein. Unter dem Symbol des Tannenbaums mit sei­nem Kerzenschein kam Philipp Wolfrums „Weihnachtsmyste­rium“ zur Aufführung. Es handelt sich um ein von stimmungsvollen Momenten getragenes Werk, dem aber auch etliche müde Weg­strecken nicht fehlen. Dann musiziert nicht der Tonpoet, sondern es arbeitet der kontrapunktisch geschulte Könner. Wolfrum bietet das ganze überkommene Rüstzeug einer echten und rechten Weihnachts­musik auf. Da ist der erzählende Evangelist, da sind die Genreszenen der Geburtsgeschichte, da ist die versunkene Betrachtung, die der Chor als Repräsentant der Menschheit zum Ausdruck bringt. Wolfrum rundet alles zu geschlossenem Bilde, an das er mit einem „Ehre sei Gott“ herantritt, von dem er mit dem gleichen Worte Abschied nimmt. Zwischen diesen Gleichworten ruhen Wolfrums Gefühlswelt und ihre Ausdrucksformen. Diese sind originaler Art. Alles klingt modern in Harmonik und Klangfarbe und zeigt dabei geschlossene Formen. Die tonmalerischen Elemente finden weise Verwendung. Zum Schönsten gehört die poetische Schilderung der sterneflimmernden Christnacht. — Die Aufführung zeigte eine gewisse Abspannung. Der Chor hat sich klanglich entwickelt. Das Orchester griff seine Aufgabe anpassungstüchtig auf. Von den Solisten war Frl. Tschörner die stimmlich best Bedachte. Frl. Gaedes Alt klang zu wenig mysteriös. Herr Wormsbächer, Hamburg, war für die Höhe nicht sonderlich disponiert, zeigte sich aber routiniert in der Durchführung seiner schweren Rezitative. Herr Eggert und Herr Martini, dieser mit wenig Glück, vervollständigten die Solistengruppe, die als Ganzes ein unsicherer Faktor des Abends war. Am Harmonium wirkte die Orga­nistin Frl. Hullmann. Die Leitung des Ganzen hatte Herr Prof. Stein, der der Aufführung ruhvollen Verlauf gab. S—g.

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