Philharmonischer Chor Kiel

Kieler Neueste Nachrichten, 24.11.1931

„Ein deutsches Requiem“.

Totensonntagsfeier im Stadttheater.

Als Ausklang des Totensonntags hatte Professor Stein wie im Vorjahre eine Aufführung des „Deutschen Requiems“ angesetzt. Sie fand im Stadttheater statt, Chor und Orchester waren auf der stilvoll ausgeschmückten Bühne aufgestellt. Fast pausenlos wurden die einzelnen Teile abgesungen, und als der letzte Ton ver­klungen war, ging die Versammlung schweigend auseinander. Kein lautes Wort wagte die heilige Ergriffenheit zu stören.

Noch immer wirft das edle Werk seinen verklärenden Schimmer auf den letzten Sonntag des Kirchenjahres, tröstet Tausende, „wie einen seine Mutter tröstet“, weissagt den Trauernden vom „Tode, der ver­schlungen ist in den Sieg“, und preist ihnen die Schönheit des himm­lischen Jerusalem. Nur an wenigen Stellen beginnt seine Sprache uns fremd zu werden (vor allem in den breitspurigen Schlußfugen), überall sonst aber leuchtet die Musik in altem Glanze und packt und erschüt­tert jeden, der aufgeschlossenen Herzens sich ihr nahen mag. Über die wundervoll gelungene Aufführung braucht nichts gesagt zu wer­den: weiß doch jeder, der die Veranstaltungen des Oratorienvereins besucht, mit welcher Liebe Dirigent und Chor gerade an diesem Werke hängen.

Das Baritonsolo sang Adolf Martini schlicht und ausdrucks­voll, wie es der Stil des Meisters verlangt. Das Sopransolo war einer Kieler Sängerin zugeteilt, die bisher öffentlich noch niemals in so anspruchsvollem Rahmen hervortrat: Alexandra Allé. Obwohl nicht frei von Befangenheit, wußte sie durch den Reiz ihres schön gebildeten hohen Soprans sehr bald die Hörer für sich zu gewinnen.

Vor dem Requiem ließ Prof. Stein die schöne vielstimmige Bläser­sonate „pian é forte“ des alten Giovanni Gabrieli spielen. Die Besucher des Bachfestes werden sich besonders gefreut haben, dem ausdrucksstarken Werke noch einmal zu begegnen.

Hinter den übrigen Ausführenden blieb selbstverständlich das Orchester nicht zurück. — Freilich, so groß der ideale Erfolg war: der materielle dürfte beschämend gering sein, denn das Haus war auf­fallend schlecht besetzt. Glaubt man immer noch, daß Werke wie das „Deutsche Requiem“ nur auswärts aufführbar sind? Eine derart krän­kende Behandlung der konzertgebenden Vereine und ihres Dirigenten hätte unbedingt vermieden werden müssen. E.

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