Philharmonischer Chor Kiel

Kieler Neueste Nachrichten, 25.11.1930

Kieler Stadttheater.

„Ein Deutsches Requiem“

von Johannes Brahms.

„Nach Worten der heiligen Schrift“ — diesen Zusatz gab der bibel­kundige Meister dieser seiner deutschen Totenmesse, deren Text er selbst aus Bibelworten zusammengestellt hatte. Man kann das Werk , das so ganz von dem festliegenden, lateinischen Text des katholischen Requiems abweicht, am besten wohl als deutsch-evangelische Totenmesse bezeichnen. Der Tod seiner frommen Mutter war der äußere Anlaß, der den Meister Johannes veranlaßte, den Uebergang einer gottesfürchtigen Seele aus Erdenleid zu Him­melsfreuden in ebenso weichen wie machtvollen Tönen zu schildern. Jeder der sieben Sätze hat seinen besonderen Charakter. Im ersten bis dritten Satz die ergreifende Klage über die Nichtigkeit menschli­chen Lebens, im vierten bis letzten Satz die Wonne über die Seligkeit der Erlösten.

Die Bibelworte haben durch Brahms eine Vertonung gefunden, die ganz im Sinne von Liszt mehr gebetet als komponiert ist. Gebetet aus dem übervollen Herzen des weich empfindenden Musikers. Darum treten auch die großen Fugen des dritten und sechsten Satzes, selbst der große Orgelpunkt und die Schilderung des jüngsten Gerichts, so machtvoll sie auch sind, in ihrer Wirkung doch etwas zurück gegen­über den anderen Sätzen, wo weher Klage und müdem Trost in Tönen Ausdruck gegeben wird.

Diese Auffassung bestätigte auch die Wiedergabe des Wer­kes durch den zu einer imponierenden Einheit verschmolzenen Kieler Oratorien- und Lehrergesangverein. Sie war getragen von einem Ernst und einer Weihe, die die vielen Hörer im Innersten ergriff. Ob die Sänger nun für die groß angelegten Chöre mit ihrem Schwung und Glanz den passendsten Ausdruck fanden oder in den echt Brahmsschen wehmütig-weichen Klagen über die Vergänglichkeit alles Irdischen und der liebevollen Ausmalung aller jeden Frommen erwartenden Himmelsfreuden muß dem Empfinden jedes Einzelnen überlassen bleiben. Es genügt völlig, festzustellen, daß die Gesamtwirkung ebenso schön wie erhebend war.

Dem Chormeister, Professor Dr. Fritz Stein, gebührt der Ruhm, die beiden Chöre in jahrelanger Arbeit auf eine Höhe gebracht zu haben, die für die Aufführung großer Werke auch einen großen Erfolg sichert. Vor allem singen die Chöre mit Begeisterung und innerem Aufschwung, die oft wertvoller sind als das schönste Material. — Auch das Städtische Orchester darf mit seinem verständnisvoll hingebenden Musizieren in der den Abend einleitenden „Tragi­schen Ouvertüre“ wie im Requiem einen hervorragenden Anteil an dem einheitlich schönen Gelingen des Ganzen in Anspruch nehmen.

In dem himmlisch verklärten Sopransolo „Ihr habt nun Traurigkeit“ entzückte Annemarie Sottmann mit ihrer prächtigen Stimme und gut durchdachtem Vortrag alle Hörer und auch Werner Hamann fügte sich mit seinem in allen Lagen wohlklingenden Bariton und seinem von warmem Empfinden getragenen Vortrag schön in die Stimmung der Brahmssche Gefühlswelt hinein.

Kein lärmender Beifall störte den feierlichen Ernst, der über den Gemütern lag. Aber in den Herzen blieb ein warmer Dank zurück für die weihevollen Feierstunden, die alle Mitwirkenden am Gedächtnis­tage der Toten ihren vielen andächtig lauschenden Hörern bereitet haben. — Das sei allen Sängern und ihrem Leiter der schönste Lohn! Martens.

Zuletzt geändert am