Philharmonischer Chor Kiel

Kieler Neueste Nachrichten, 27.11.1923

Totensonntag * Motette des Kieler Oratorienvereins. Die große Nikolaikirche konnte die Schar der andächtigen Hörer am Abend des Totensonntags kaum fassen, und das ist gut so. Denn nirgend redet die Musica sacra eindringlicher, als wenn sie von Tod und Vergehen pre­digt, nirgend vermag sie aber auch mehr zu trösten und aufzurichten, als wenn sie singt und sagt von der Hoffnung eines gläubigen Chri­stenmenschen. Der A-cappella-Chor des Oratorienvereins singt weich und schön mit einer prächtigen Klangabschattung und ausgezeichne­ter sprachlicher Schulung. Selbst die in ihrem ersten Teil in schwie­rig­ster Chromatik geradezu schwelgende Regersche Motette: „O Tod, wie bitter bist du“ gelang unter der sicheren Stabführung Professor Steins bis auf gelegentliche kleine Differenzen überraschend gut. Die geistlichen Gesänge von Reger und Bach'schen Choräle sowie Mozarts „Ave verum“ können kaum schöner und ergreifender vorge­tragen werden. Man konnte nur bedauern, daß der Chor an diesem Abend, gegenüber den allzu umfangreichen Orgelvorträgen, mehr als erwünscht zurücktrat. Die lange C-Moll-Sonate von Reubke über den 94. Psalm hätte, so ausgezeichnet sie der Organist Oscar Deffner auch vortrug, ruhig fehlen können, man würde dadurch auch der auf der Vortragsfolge versprochenen einstündigen Dauer schon erheblich nähergekommen sein. — Uns naht die Advents- und Weihnachtszeit, in der uns der ausgezeichnete Chor hoffentlich noch manchesmal erfreuen, ja, es ist nicht zuviel gesagt, erbauen wird. M—s

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