Philharmonischer Chor Kiel

Husumer Nachrichten, 11.03.1929

*Die Musikalische Passionsandacht des a cap­pella-Chors des Kieler Oratorienvereins fand am Sonnabend in unserer vollbesetzten Marienkirche statt. Der Leiter des Oratorienvereins Prof. Dr. Fritz Stein leitete die Andacht mit Joh. Seb. Bachs Orgelchoral „O Mensch bewein' dein Sünde groß“ ein. Schon die ersten Klänge nahmen die Zuhörer ganz gefangen und zeigten Prof. Stein als einen feinsinnigen Beherrscher der Orgel. Anton Bruckners Messe in E-Moll für achtstimmigen gemischten Chor und Orgel stellte eine großartige Leistung des Chors wie seines Dirigenten dar. Wie rein und klar klang das Gloria durch die Kirche und löste sich am Schluß aus in das jubelnde Amen. Für die Passionsmusik nach dem Evangelisten Markus von Kurt Thomas (geb. 1904 in Tönning) findet der Zuhörer kaum Worte, die genügten, seiner Begeisterung Ausdruck zu geben. Etwas derart Schönes und Erha­benes wie dieses Werk haben wir hier in Husum noch selten gehört. Was soll man mehr bewundern, den Komponisten oder den Chor, der die Einstudierung des Werkes in hervorragender Weise gelöst hat? Dabei ist die Passionsmusik von den Zuhörern derart leicht zu ver­stehen, daß man wirklich nicht des Textes bedurfte, um folgen zu können und seine ganze Aufmerksamkeit der Musik zuwenden konn­te. Ergreifend wirkte schon gleich der Beginn bei der Abend­mahls­szene „wie sie ihn mit Listen griffen und töteten“. Wie wunderbar versteht es der Komponist, einzelne Charaktere herauszumeißeln, so z. B. den verräterischen Judas in Gethsemane und das Volk bei der „Kreuzige ihn“-Szene vor Pilatus. Tragische musikalische Untermalung und herzergreifende Einfachheit; die Kreuzigung „Aber Jesus schrie laut und verschied“ der Choral „Wir danken Dir, Herr Jesu Christ, daß du für uns gestorben bist“ beendete die wunderbare Aufführung, für die wir dem Kieler Oratorienverein und seinem Dirigenten Prof. Dr. Fritz Stein nicht genug danken können.

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