Philharmonischer Chor Kiel

Kieler Neueste Nachrichten, 17.09.1921

Volkstümliche Motette.

Die ehrwürdige Nikolaikirche war wieder gedrängt voll. Wie schön, daß so viel reges Interesse an guter Musik noch vorhanden ist. Herr Professor Stein trug uns mit seinem A-cappella-Chor vier­stimmige geistliche Gesänge alter und neuer Meister vor. Da war zuerst Heinrich Schütz, der Vorläufer Bachs, mit zwei Motetten ver­treten, dann der Dresdner Hoforganist Adam Krieger († 1666) und zuletzt Bach selbst mit der Bearbeitung eines Abendgebetes. Dazwischen kam Franz Liszt mit den Seligpreisungen aus seinem Oratorium „Christus“.

Der Chor, eine Auslese des großen Oratorienvereins, ist in seinen Leistungen von dem vielgerühmten Thomanerchor so weit nicht ent­fernt. Sollte es ihm möglich sein, wenn auch nicht wie dieser täglich, so doch mehrere Male in der Woche zu gemeinsamer Uebung zusammen zu kommen, man sollte meinen, das höchste Kunstziel in mehrstimmiger Vokalmusik müßte damit zu erreichen sein. Es war ein klangschönes, sauberes Singen von lauter musikalischen Menschen, dazu ein fein abgetönter Vortrag, ein wirkliches Pianissimo, eine deutliche Sprache. Wenn Professor Stein diesem Chor noch etwa ein halbes Dutzend gleichwertige Sänger in jeder Stimme hinzufügen würde, könnte er mit weit größerer Beruhigung an die Aufführung der H-moll-Messe oder des 100. Psalms herantreten.

Als Solisten wirkten die Altistin und der Bassist aus dem Rosenthal-Quartett mt. Fräulein Martha Adam sang sich mit ihrem prächtigen Alt wieder tief in die Herzen der Hörer hinein; Herr Dr. Rosenthal hatte keinen besonders guten Tag. — Ganz unerwartet und wider alle Ankündigung hatte Meister Straube das Orgelspiel übernommen. Er spielte, wie tags zuvor, Bach und Reger in höchster künstlerischer Vollendung. Ohne Herrn Professor Stein auch nur irgendwie zu nahe zu treten, aber über diese „Vertretung“ ist der in dieser Zeit fast über Vermögen beschäftigte Chorleiter sicher auch erfreut gewesen. —

Hoffentlich haben wir nun recht oft Gelegenheit, den A-cappella­Chor an Sonabend- oder Sonntagnachmittagen zu hören. Er erwirbt sich damit ein großes Verdienst um die Verbreitung edler und veredelnder Kirchenmusik und wirkt an seinem Teile mit zu der so notwendigen Kunsterziehung des Volkes. Nur einen Wunsch: nicht wie gestern so weit ausgedehnt; ein knappes Stündchen ist genug. Martens.

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