Philharmonischer Chor Kiel

Volkszeitung, 05.11.1954

Ein Deutsches Requiem

Chorkonzert in der Petruskirche

Brahms' Requiem nach von ihm selbst ausgewählten Bibelstellen, das einzige große Gegenstück protestantischen Geistes zu den vielen Vertonungen des lateinischen, katholich-liturgischen Requiemtextes, fand (als drittes Anrechtskonzert des VdM) in der Petruskirche eine sehr eindrucksvolle Interpretation. Georg C. Winkler gab der Wieder­gabe ganz das romantische Weltgefühl, aus dem die Komposition ent­stand; die ganz große Ausdrucksskala des Werkes — von zartester Lyrik bis zu effektvoll-dramatischen Klangwirkungen — wurde vollkom­men reflektiert. Unerhört lebendig und ausdrucksstark waren die großartig gebauten Steigerungen und die dynamische Abstufung und Aufgliederung des Ganzen. — Der Städtische Chor (die exakte Einstu­dierung besorgte Otto Rüder) bewies erneut seine Fähigkeit, mitge­staltend zu wirken; ist das Problem Nr. 1 aller Chöre, die ausrei­chende Besetzung der Männerstimmen, besonders der Tenöre, auch bei ihm noch nicht gelöst, klingen die hohen Soprane auch zuweilen etwas hart — der Gesamteindruck ist vorzüglich. Ausnehmend schön und tragend übrigens das Piano und Pianissimo — das Forte ist trotz der vielen jungen Stimmen manchmal in Gefahr, spröde zu werden. Das Städtische Orchester musizierte anpassungsfähig mit echter eigener Intensität. — Clara Ebers (Staatsoper Hamburg) sang das Sopran-Solo sehr schlicht, sehr verinnerlicht, sehr edel in Tonführung und Ausdruck. Ihr Stimmklang ist voller, kompakter, ihr Timbre noch wärmer und samtiger geworden; mit ihr fand diese kurze, aber schwierige Partie eine wirklich ideale Besetzung. Werner Kotzerke (Bühnen der Landeshauptstadt) wirkte dagegen blaß; Sein Bariton ist technisch noch nicht voll durchgebildet und zeigt auch im Timbre noch keine persönliche Farbe. Auch seine Fähigkeit zur künstlerischen Gestaltung scheint noch unentwickelt, reicht jedenfalls für diese Partie nicht aus. — Die Petruskirche war bis zum letzten Platz besetzt; das Publikum zeigte sich von der Gesamtleistung stark beeindruckt. S. M.

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Siehe auch: Dr. H. St.

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