Philharmonischer Chor Kiel

Kieler Nachrichten, 05.05.1990

Patricia Handy dirigierte Kieler Mozartkonzert

Zum guten Schluß die „Spatzenmesse“

Trotz zahlenmäßiger Überlegenheit schwarzbefrackter Philharmo­niker stand das vom VDM organisierte 4. Mozartkonzert im interpre­tatorischen Bereich unter positiven weiblichen Vorzeichen: Dirigentin, Oboistin, Violinvirtuosin und Vokalsolistin verdienten sich in der Petruskirche die eindeutig besten musikalischen Noten.

Der amerikanische Gast am Pult, Patricia Handy, konnte wirbeln, besänftigen, konnte versuchen, eindeutige Zeichen zu geben, das Orchester schien unter den gewiß nicht unkritischen Ohren des GMD nichts zu bemerken — oder nichts bemerken zu wollen. So kamen die rhythmischen Phasenverschiebungen im Kopfsatz der e-Moll-Sinfonie von Carl Philipp Emanuel Bach insbesondere zwischen Violinen und Baßgruppe nur langsam ins Lot, was der Prägnanz und Stärke des Hauptthemas nicht eben dienlich war. Woher soll die weitere Entwick­lung ihre Kraft beziehen, wenn nicht aus dieser Makro- und Mikro­struktur speisenden Figur?

Ähnlich unfertig kam Johann Christian Bachs Sinfonie B-Dur op. 18 Nr. 2 übers Podium. Da gab es leider viele Unsauberkeiten sowohl intonatorischen wie rhythmischen Charakters, die den formalen Auf­bau dieser Opernsinfonia für den Hörer, mit Ausnahme des Andante mit ausdrucksvoll geblasenem Oboensolo, verschleierten. Schwäche der Dirigentin? Wohl eher auch hier eine mangelnde Bereitschaft, der deutlichen Zeichengebung (Finale Hauptthema) mit Engagement und Interesse zu folgen.

Eri Ishiodori, die 2. Konzertmeisterin, trat mit Mozarts Violinkonzert KV 218 ins solistische Licht. Ein sauberer Strich, ein schlanker, nie brüchiger Ton zeichnen ihr gewandtes Spiel aus, das sie ganz in den Dienst der Komposition stellte und die virtuose Ausschmückung des Hauptgedankens im Kopfsatz nicht nur mit brillantem Spiel auskoste­te, sondern als plastisches — eben zum Thema gehörendes — Mate­rial formulierte. Handys behutsame Orchesterführung erzeugte ein Verhältnis zwischen Tutti und Solo, durch das Distanz und Nähe beider Partner plausibel wurden.

Über die Spatzenmesse Mozarts laßt sich Gutes berichten. Gut aufgelegte Vokalsolisten (Helen Centner, Marianne Neroy-Bombrych, Chris Scholl, Wolfgang Bankl), ein genau deklamierender, aber manch­mal dynamisch zu undifferenziert agierender Städtischer Chor (Imre Sallay) sowie endlich sicheres und partiell kraftvoll zupackendes Orchester wirkten zusammen. Patricia Handy gelang es durch rasche Tempi in allen Sätzen die Akustik-Klippen der Petruskirche zu umschif­fen und damit Vokal- und Instrumentalstimmen zur Durchhörbarkeit zu verhelfen. J.P.U.

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