Philharmonischer Chor Kiel

Neuß-Grevenbroicher Lokal-Zeitung, 23.06.1987

Moderne Musik konnte begeistern

Achtes Konzert der Chormusiktage mit interessantem Programm / Philharmonica Hungarica vorbildlich

Neuss. Ein vorbildlicher Partner für die Chöre: Mit der Philharmo­nica Hungarica Marl stand den Teilnehmern des achten Konzertes der Chorkonzerttage ein bewegliches Orchester zur Verfügung, das Lau­tes und Leises, Soli und Tutti in ein angemessenes Verhältnis brachte. — F. Liszts Vertonung des 13. Psalms wurde den Hörern in der Stadt­halle vom Neumarkter Kammerchor mit der Chorgemeinschaft St. Franziskus Nürnberg vorgestellt. Glaubte man anfangs, es handele sich um ein Orchesterstück mit Begleitung des Chores — der war nämlich zunächst nur bei Akzenten überzeugend zu hören —, stellte sich doch bald ein dynamisches Gleichgewicht zwischen den beiden Klangkörpern ein. Der Solotenor W.-H. Moser schien dieses spätro­mantische geistliche Werk zum Einsingen zu nutzen; er gestaltete seinen Part zwar sehr bewußt, verschenkte aber auch manchen Effekt durch störendes Tremolo. Solch zwiespältiger Eindruck sollte sich im Laufe des Konzertes zum Guten hin wenden.

Sicher ist es kein Zufall, daß das apokryphe Thomas-Evangelium zu einer Zeit vertont wird, in der einem viele seiner Aussagen sehr aktu­ell vorkommen. Da gibt es die Klage über die Verderbtheit der Erde, über die auf Krieg sinnenden Mächtigen, da hört man von Gottes Gegenwart in der Schöpfung, von der Beziehung einer Frau zu Jesus, von Sektierertum und Weltflucht als einzigen Ausweg aus der über­sättigten Umgebung. R. Kunads dreiteiliges Oratorium „Das Thomas-Evangelium“ erklang in der Stadthalle zum ersten Mal nach seiner Uraufführung. Vier Solisten, Chor und ein großes Symphonieorchester mit vielerlei Schlagzeug sind eingesetzt, auch die Klangsprache ist gemäßigt modern, manches — etwa die Parallelführung von Sopran- und Altsolo am Ende des zweiten Teiles — geradezu geläufig. Was wirkt, sind die Klangfarben, die Übergänge, die rhythmischen und dynamischen Abstufungen.

Immer präsent war der Städtische Chor Kiel, wenn auch seine Auf­gabe meist darauf beschränkt war, Ansager zu sein („Jesus sprach“, „Salome sprach“). Auf engstem Raum ein Maximum an Gestaltung zu schaffen, war sein Verdienst. Viel Solistisches gab’s innerhalb des Orchesters, vornehmlich bei Bläsern und Schlagzeug. Und was die Gesangssolisten betraf (A. Evans-Montefiore, Sopran, C. Rüggeberg, Alt, W.-H. Moser, Tenor, und F. Struckmann, Bariton), so trugen sie nicht nur jeder für sich, sondern auch als gut aufeinander abgestimm­tes Quartett zur Qualität der Aufführung bei. Daß Kunads langes Werk zu einem organischen Ganzen wurde, ist nicht zuletzt I. Sallays ener­gischem Dirigat zu danken.

Hintersinniger Witz und Spott, Bedenkenswertes augenzwinkernd in Worte verpackt von niemand Geringerem als Goethe — das ist die Textgrundlage von B. A. Zimmermanns burlesker Kantate „Lob der Torheit“ (1948). Die Berliner Sing-Akademie unter H. Hilsdorf sowie die Solisten R. Schnudel, Koloratursopran, H.-W. Moser, Tenor, und A. Näck, Bariton, machten, zusammen mit dem schwungvoll spielenden Marler Orchester, aus der Burleske ein sprühendes Feuerwerk doppel­bödigen musikalischen Humors. Es durfte auch herzhaft gelacht wer­den, etwa bei der Komposition des Goethe-Gedichtchens „Totalität“. „Gleich und gleich“

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