Philharmonischer Chor Kiel

Kieler Nachrichten, 09.04.1984

„Das Lied von der Nacht“

Ein großes Werk von Karol Szymanowski im 7. Kieler Symphoniekonzert

KN: ROLF GASKA   Kiel

Für viele Konzertbesucher mag sie so etwas wie eine „private Urauf­führung“ sein, diese Wiedergabe der 3. Symphonie von Karol Szyma­nowski im 7. Kieler Symphoniekonzert. Szymanowskis Werke sind zwar nicht aus dem Repertoire der Pianisten, wohl aber aus dem der deutschen Orchester verschwunden. Ausnahmen bestätigen die Regel. Dabei ist das „Lied von der Nacht“, wie der Beiname der jetzt hervorgeholten Komposition lautet, ein hochinteressantes und gewal­tiges Stück Musik. 1914 bis 1916 entstanden, ist es unverkennbar aus dem Umkreis Alexander Skrjabins herausgewachsen; denn es trägt alle Züge des symbolischen Futurismus, der die osteuropäische Kunst in den Jahren vor dem ersten Weltkrieg prägte.

Diese Kunst meint nie nur sich selbst, sondern trachtet nach äste­tischen Entsprechungen zum mystisch Einen-und-Ganzen der Welt. Szymanowskis Begegnung mit der islamischen Mystik, dem Sufismus, findet in der 3. Symphonie direkten Niederschlag durch die musikali­sche Ausdeutung eines altpersischen Gedichts, das von dem großen Sufi Dschalal-ad-din Rumi überliefert ist. Der polnische Komponist muß sehr davon ergriffen gewesen sein, denn seine Musik glüht in einem ekstatischen Licht. Beim Lesen der Übersetzung will sich davon nichts einstellen, wohl aber beim Hören auf Gesang und Instrumente.

Klaus Weise setzt sich sehr für Szymanowski ein. Die Kieler Phil­harmoniker, der von Martin Pickard einstudierte Städtische Chor und der in empfundener Emphase singende Tenor Josef Hopferwieser sichern dem Werk eine gewaltige Wirkung. Sowohl in zartfarbigen Stimmen und Gestimmtheiten (immer wieder die zerbrechlich klingen­de Solovioline) wie in mächtigen Akkordtürmen, deren Fortissimo bewußt an die Grenzen des Hörens geht, wird Szymanowskis Klang­sinn in all seiner Inbrunst illuminiert. Schwerer als anderswo fällt die Erfüllung der kritischen Aufgabe, nämlich zu unterscheiden, wer nun eigentlich was zum Gelingen dazugetan hat. Sagen wir: Klaus Weise hat für seinen Szymanowski ein großartiges Ensemble. Aber am Ende ist es eben sein Szymanowski, glänzend gegliedert, wunderbar aus­geleuchtet und aufgeladen mit berstender Energie.

Beethovens „Eroica“ danach ist sparsam besetzt, kein Musiker zuviel. Weise denkt an das klassische Maß. Dies bekommt dem Werk. Seine Klanggestalt wirkt licht und straff. Die Ecksätze haben viel energische Bewegung, ja, Weise entdeckt ein tänzeriches Element darin, etwas Optimistisches. Dies steht dem „Helden“ ebenso an wie die kecke Jagd des Scherzos mit den bewundernswert geblasenen Hörnern, das geschwind dahinhuscht, während sich das Adagio assai so langsam fortbewegt, daß für das Orchester die reale (am Sonntag hörbare) Gefahr besteht, aus dem Trauermarschtritt zu geraten. Sei’s drum. Frisch und unverbraucht klingt dieser Beethoven, vollkommen unroutiniert aus dem Erlebnis der Gegenwart geformt. Wer möchte da an Beifall sparen.—

Nach der Pause — vor Beethovens Dritter — überreichte der Gene­ralmusikdirektor gestern morgen städtische Stipendien-Schecks an vier Kieler Preisträger des Wettbewerbs „Jugend musiziert“. Der Ein­druck könnte entstanden sein, es gäbe in Kiel nur diese vier glückli­chen Wettbewerbsgewinner. Dem ist nicht so. So vertreten zwei von ihnen preisgekrönte Ensembles, Iris Dumke ein Hornquartett, Andree Wolf ein Schlagzeugsextett. Gabi Kröning und Ulrike Renz sind ange­hende Cellistinnen. Drei Kieler Preisträger von der Pianistenzunft sind diesmal, was das Geld aus dem Stadtsäckel angeht, leer ausgegan­gen.

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