Philharmonischer Chor Kiel

Kieler Nachrichten, 04.01.1982

Die Botschaft Beethovens

Am Neujahrstag die 9. Symphonie im Kieler Schloß

KN: ENNO NEUENDORF   Kiel

Ludwig van Beethovens 9. symphonie zum Jahreswechsel — das hat wieder Tradition in Kiel, seit vor vier Jahren der Städtische Chor die Bedenken vor den Schwierigkeiten einer solchen Aufführung, vor allem auch die Furcht, einem falschen Pathos Vorschub zu leisten, zurückstellte und diese bereits im 19. Jahrhundert übliche Sitte wieder einführte als ein unübersehbares Orientierungszeichen im Dauerlauf der Zeit. Appelle und Ansprachen auch noch des unbe­deutendsten Politikers, Intendanten oder Verbandsfunktionärs an jedermann setzt es Neujahr zuhauf: Wen erreichen solche Adressen und Durchhalteparolen schon? Doch einer geistigen Macht wie der Beethovens unterwerfen sich die Menschen freiwillig. Sein Mensch­heitshymnus ist tragfähig. Eine andere Frage ist es, wie lange auch dieser Aufruf eines leiderfahrenen Künstlers den einzelnen Hörer weiter trägt: jene göttliche Umarmung Beethovens im Zeichen der Brüderlichkeit, der Liebe und der Freude, die ein allen Menschen gemeinsames, bis jetzt aber weiter als je zuvor entferntes Ziel ansteuern.

Die äußerlichen und rein technischen Voraussetzungen, solche Beethovensche Botschaft aufzunehmen, waren gut. In diesem Jahr dirigierte hier erstmals und recht farbig Klaus Weise zusammen mit dem Philharmonischen Orchester der Stadt Kiel das Ausnahmewerk in seinem 1. Sonderkonzert im Kieler Schloß. Eine außergewöhnliche Aufnahmebereitschaft und eine angemessene Anerkennung des „Geleisteten“, ablesbar an dem langen starken Beifall, war von seiten der Zuhörerschaft im dicht besetzten großen Saal zu konstatieren.

Der große Städtische Chor, erstmals auch von Georg Metz ein­studiert, holte an Kraftreserven heraus, was möglich war, so daß die 5. Variation des Finales besonders eindrucksvoll gelang. Das Vokal­quartett der Kieler Oper mit Frieda Lindburg, Nadine Asher, Jonathan Mack und Hans Georg Ahrens überstand die Anstrengungen seiner Soli und Ensembles ebenso schadlos wie das Orchester jene Forde­rungen Weises, die auf ein besonders prononciertes Herausarbeiten musikalischer Charaktere und auf das Hervorheben einzelner Instru­mentalgruppen (Schlagzeug, tiefe Streicher) hinausliefen. Begleitende Kontrapunktik geriet statt dessen gelegentlich zu sehr in den Schat­ten (Fagott). Fulminant: die abschließende Stretta.

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