Kieler Nachrichten, 02.12.2014
Fiebernde Bekenntnisse
„Mozart-Konzert“ für Hermann Stange
Kiel. Die Musikfreunde Kiel und die Kieler Philharmoniker gedachten ihres Gründervaters. In der bestens besuchten Petruskirche wurde ihr ebenso festliches wie vitales „Mozart-Konzert“ mit viel Beifall und einigen Bravi bedacht.
Von Christian Strehk
Eigentlich wird es mal Zeit, dass in der Landeskapitale eine Straße nach ihm benannt wird. Denn der Kieler Universitätsmusikdirektor, Organist und Chordirigent Hermann Stange (1835-1914) hat in der notorisch klammen Fördestadt in den beiden Jahrzehnten vor dem ersten Weltkrieg für eine beispielhafte Aktivierung und Professionalisierung der Musikszene gesorgt Der stellverttretende Generalmusikdirektor Leo Siberski strotzte in seinen Fußstapfen entsprechend vor Ideen, wie er die freche C-Dur-Sinfonie KV 338 des 1780 spürbar aufbruchswilligen Salzburger Genies Wolfgang Amadeus aktivieren könnte. Die Philharmoniker konnten ihm da zwar noch nicht in allen Details ohne Gleichlaufschwankungen folgen, begeisterten aber mit zupackender Frische.
Joseph Haydns „Schöpfungsmesse“
Auch die 20 Jahre jüngere Schöpfungsmesse von Mozarts väterlichem Freund Joseph Haydn steckt voll von hochvirtuosen Gesten und kniffligen Kontrastwendungen. Die „Nummer sicher“ war Siberskis Sache deshalb noch lange nicht: Mit mutig raschen Tempi und theaternahen Stimmungsumschwüngen forderte er die Orchestermusiker und die in bester Stange-Tradition singbegeisterten Mitglieder des Philharmonischen Chors heraus.
Der von Lam Tran Dinh einstudierte Chor, der nach wie vor in den Männerstimmen Nachwuchs benötigt, stand spür- und hörbar unter Hochspannung, um den für Haydns Messen typischen, sinfonisch gedachten Winkelzügen folgen zu können. Das Credo-Bekenntnis wirkte fast wie eine Fieberkurve. Aber selbst wenn nicht überall die allerletzte Lockerheit und Souveränität erreicht wurde, stimmte doch stets der Ausdruck: Das Jubilieren des Soprans etwa, oder besonders die leisen, abgedunkelten Stellen à la „passus et sepultus est“ oder „miserere nobis“, schließlich die fließende Wärme im „Dona nobis pacem“ des Agnus Dei-Finales. Aus dem nahtlos eingebetteten, vorsichtig passgerecht singenden Solistenquartett mit Fiorella Hincapié (Alt), Michael Müller (Tenor) und Christoph Woo (Bass) strahlte mehr und mehr Susan Gouthros Sopran hervor.
Das Stange-Gedenkkonzert war für die Musikfreunde Kiel auch Anlass zum Um- und Nachdenken: Da die Petruskirche in der Wik im kommenden Jahr durch Umbauten und in den nachfolgenden Jahren durch expandierende Aktivitäten der Apostel-Gemeinde als eigentlich gut geeigneter Konzertraum belegt wird, ist nach 30 Jahren die Rückkehr der beliebten Mozart-Reihe „in das Herz der Stadt“, nämlich in die Nikolaikirche, schon zum Gastspiel von Concerto Köln am 8. Januar unumgänglich, so die Musikfreunde-Vorsitzende Selke Harten-Strehk in ihrer Ansprache.
Der Vorstand des Non-Profit-Vereins sieht sich dort „mit offenen Armen empfangen“, beklagt aber zugleich den wachsenden Notstand, was geeignete Veranstaltungsräume in Kiel angeht. Für die verfahrene Situation in Sachen Renovierung oder Ersatz des Kieler Schlosses stehe die Politik auf städtischer und landesweiter Ebene in der Handlungspflicht. Die Musikfreunde setzen sich aber auch für einen multifunktionalen Vortragsraum mit 300 bis 500 Plätzen ein, der Kiel schmerzlich fehlt. So viel ist tatsächlich klar: Gäbe es ein Stange-Denkmal, man könnte wohl schon seit Jahren ein leichtes Stirnrunzeln an ihm bemerken.