Philharmonischer Chor Kiel

Kieler Nachrichten, 20.04.2015

Klangmagie und Kontraste

Kiels Philharmoniker mit Gästen im Schloss

Kiel. Bartok und Brahms, eine aparte Kombination, deren Sinnfälligkeit sich anfangs dem Konzertbesucher nicht unbedingt aufdrängen mag. Und doch hat es seinen speziellen Reiz, wenn deutsche Hochromantik unmittelbar auf atonale Klangballungen stößt und pastoraler Wohllaut von hemmungslos greller Drastik konterkariert wird.

Von Detlef Bielefeld

So geschehen im Kieler schloss beim 7. Philharmonischen Konzert, als Gastdirigent Jac van Steen das farbenreiche 2. Klavierkonzert von Johannes Brahms dem bilderbogenartigen Wunderbaren Mandarin von Béla Bartóc gegenüberstellte. Der niederländische Grandseigneur versteht sich auf Klangmagie und dynamische Effekte, brachte mit seiner nuancenreichen, unmissverständlichen Zeichengebung die Philharmoniker auf emotionale Hochtouren, ohne die Feinstrukturen in beiden doch so unterschiedlichen Werken zu vernachlässigen.

Für Bartok verordnete er dem machtvoll vergrößerten Orchester einen eher schneidenden, glasklaren, brillanten Sound, während er das Brahmskonzert mit runden, warmen, satten Klangfarben ausstattete. So gesehen hatte der Hörer ein Wechselbad von unsentimentaler, aggressiver Objektivität zu schwelgerischer Emphase zu verkraften, wobei letztere duch die variantenreiche, subtile Klanggestaltung des unaufdringlichen Klaviervirtuosen Ronald Brautigam als primus inter pares noch potenziert wurde. Und selbst bei dieser sensibilisierenden Hochromantik wusste man noch einen Kontrapunkt zu setzen, indem der Solocellist das gefühlvolle Hauptthema des 3. Satzes erfreulich unsentimental und ohne Knopflochträne über die duftige, dahin perlende Klavierbegleitung legte.

Eine ganz andere Welt offenbarte die Tanzpantomime Der wunderbare Mandarin, mit der Béla Bartóc 1926 das Kölner Uraufführungspublikum geschockt haben dürfte.

Jac van Steen ersparte auch den Kieler Musikfreunden keine dämo­nisch anmutende Krassheit dieser kompromisslosen Partitur, die letztlich einen veritablen Unterweltskrimi mit mythologischen Auf­hellungen in locker aneinandergereihten Miniaturen imaginiert. Souverän lenkte der charismatische Maestro seine Musiker durch die Abgründe zwischen Melancholie, brutaler Wildheit, zarten Empfin­dungen und leidenschaftlicher Besessenheit, wobei grandios vorwärts brausende Ostinati nebst den berühmten Posaunenglissandi ebenso brillant serviert wurden wie blühende Lyrismen und kantabelste Instrumentalsoli. Zusätzliche Valeurs von archaischem Reiz steuerte der nur kurz beschäftigte Philharmonische Chor mit reizvollen Harmonisierungen bei. Ein immer noch polarisierendes Meisterwerk in mitreißender, überzeugender Wiedergabe.

Zuletzt geändert am 21.04.2015