Philharmonischer Chor Kiel

Kieler Nachrichten, 18.11.2019

Mendelssohn in der Euphorie

des Jubiläums

Reiners zeichnet die Fieberkurve des „Elias“ plastisch nach

VON CHRISTIAN STREHK

KIEL. „Wer bis an das Ende beharrt, der wird selig...“: Nicht nur mit dem wunderschön innig und doch intensiv modulierten Chorsatz ist ein Bann gebrochen. Der Philharmonische Chor hat in seiner nunmehr 100-jährigen Geschichte erstaunlicherweise zum ersten Mal das wichtigste Oratorium des romantischen Jahrhunderts, Felix Mendels­sohns Elias gesungen. Am Sonntagmorgen feierte im bestens besuch­ten Konzertsaal im Kieler Schloss ein begeistertes Publikum mit stehenden Ovationen eine vorbildliche Aufführung.

GMD Benjamin Reiners, der einst seine Laufbahn als Kirchen­musi­ker begann, macht schon nach wenigen Takten deutlich, dass er ein aufgewühlt euphorisches und dramatisches Profil der alttestamenta­rischen Prophetie anstrebt. Kunstreligion in Reinkultur im Konzertsaal.

Die Philharmoniker unterfüttern hellhörig feinnervig, was der von Lam Tran Dinh einstudierte und vom Opernchor unterstützte Philharmonische Chor sich zum Jubiläum erarbeitet hat: ein klanglich ausgesprochen homogenes, gut textverständliches Brausen, das bühnennahe Volks-Rufe genauso gekonnt und packend transportiert wie es die groß gedrechselten Fugen der Vokalpolyphonie-Tradition souverän sicher in Fluss bringt.

In überwiegend raschen Tempi zeichnet Reiners die Fieberkurve des Werks plastisch nach. Zauberhaft die Idee, die Engel (Hebe deine Augen auf) und die Seraphim mit den blitzblank glitzernden Mädchen­stimmen aus der Jugendchor-Akademie zu besetzen (Einstudierung: Moritz Caffier). Daraus stammt auch der aufstrahlend die rettende Wolke ankündigende Knabensopran von Tobias Reimann.

Diese reichen Klangfarbenstufen finden sich auch bei den Solisten. Der geschmeidig kantatenhaft lyrische Tenor von Patrick Grahl hat im zartwellig blühenden Glanz von Athanasia Zöhrer sein Pendant. Ihre Höre, Israel!-Arie zu Beginn des zweiten Teils geht in sanftmütiger Eindringlichkeit unter die Haut. Tatia Jiblaze bietet dazu mit famos erdigen Alt-Tönen eine mal bedrohliche, mal balsamisch sakral orgelnde Alternative.

Und die Titelpartie? Die ist mit dem Bariton Tomohiro Takada ebenso nobel wie ausdrucksstark besetzt. Man kennt den Elias vielleicht bassig opulenter, sozusagen mit mehr Bart und mehr Bauch. Aber wie der Japaner en detail mit der Sprache spielt, welch kernige Präsenz er in der mühelosen Höhe entwickelt und wie er die Es ist genug!-Einsamkeit des desillusionierten Propheten spiegelt, ist absolut beeindruckend.

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