Philharmonischer Chor Kiel

Volkszeitung, 13.11.1959

Rhapsode der Romantik

Professor H. J. Moser sprach über Carl Loewe

Der bekannte Musikwissenschaftler Prof. H. J. Moser sprach im Rahmen der Loewe-Feier der Kieler Liedertafel von 1841 über „Die Bedeutung Loewes in der deutschen Musik und Loewes Beziehungen zu Kiel“.

Letztere sind durchaus zufällig und nur gering; eine hier verheira­tete Tochter nahm den vorzeitig Pensionierten, der mit ganzer Kraft und großem Erfolg für das Stettiner und darüber hinaus für das Musikleben ganz Pommerns gearbeitet hatte, zu sich; die Ruhe seines Lebensabends dauerte nur zweieinhalb Jahre. Das Herz dieses echten Romantikers liegt — nach seinem Wunsch — eingemauert in der Jakobskirche zu Stettin.

Das Leben des bei Halle geborenen Schullehrersohnes war reich an großen Anregungen durch gute Lehrer (Türk, Reichardt), an Anerkennung durch Dichter, Komponisten, Kritiker (Goethe, Schleich, Schumann, Spontini). Ganz Deutschland und Oesterreich bejubelte diesen Nachfahren der Barden, der seine Kompositionen selbst sang und begleitete.

Wie fast alle Romantiker war er ein partielles Genie, einseitig genial nur in der Ballade. Ordnung, Uebersicht, Knappheit bestimmten seine kompositorische Arbeit. Mit seiner Konzentration auf Sparsam­keit des Ausdrucks, auf die Erhaltung der Strophenform, die nur vari­iert wird, hat er die Kunstform der musikalischen Ballade gerettet. Für kurze Zeit gefährlich wurde ihm nur die Begegnung mit der Süße der italienischen Oper, was sich z. B. in den Arabesken der Ballade „Tom der Reimer“ zeigt. Loewe war jedenfalls ein meisterhafter, vielseitiger Erzähler, der sich ebenso auf heitere, zierliche wie auf düstere, kühne und erschütternde Wirkungen verstand.

Von seinen sechs Opern wurde nur die schlechteste bekannt und aufgeführt: „Die drei Wünsche“. Alle leiden unter der Belanglosigkeit der Libretti; vielleicht ist durch Neubearbeitung von dem musikali­schen Werk noch einiges zu retten. Mit seinen Oratorien steht es ähnlich.

Zwei Proben — aus dem „Sühneopfer des neuen Bundes“ und die „Totenerweckung“ (aus dem Oratorium „Lazarus“) — brachte der Städtische Chor unter der sorgfältigen und intensiven Leitung von Hans Feldigl mit äußerster Präzision und technisch ausgefeilter Klang­schönheit zu Gehör. Die kleinen Soli sang Wolffried Prigann von den Städtischen Bühnen. (I. H.)

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