Philharmonischer Chor Kiel

Kieler Nachrichten, 14.04.1959

„Ich weiß, daß mein Erlöser lebt“

Chorkonzert des Kieler VdM mit Händels „Messias“

Händels zuversichtlich-tröstender Bericht über Erwartung, Verhei­ßung und Erdenleben des Heilands bis hin zu den Tagen des Jüngsten Gerichtes erklang in Kiel erneut. Der festliche Rahmen der Aufführung, der Aufwand an Solisten entsprachen dem Niveau, das diese „religi­öse Weltschau in Tönen“ besaß.

Es gab kaum ein Oratorium, das nachhaltigere Wirkungen vom ersten Tage seiner Aufführung an zu verzeichnen gehabt hätte. Dieses in rauschhafter Freude in einem Zuge niedergeschriebene Werk entzückt den Hörer immer wieder durch die Vielfalt des Aus­drucks und der musikalischen Formen. Durch die Chorsätze geht ein mitreißender Schwung, und in den dazwischen gespannten Arien walten Gedankentiefe und Ausdruckskraft, gläubige Frömmigkeit und weltoffene Anteilnahme, finden sich im begleitenden Orchester Klangmischungen von ganz besonderem Reiz.

Mit alles durchdringender Begeisterung stellte sich Georg C. Wink­ler hinter das Werk. Er durchleuchtete alles mit liebevollem Eingehen auf die vielen, oft verborgenen Reize der Partitur und stellte sie in rechtem Maß heraus, faßte hier und da liebevoll ein Detail ins Auge, ließ Lyrismen erblühen, und führte das Werk zu einem in seiner Ein­heitlichkeit und Geschlossenheit der Anlage vollendeten, gestrafften Ganzen, gliedernd und steigernd, und die drei berühmten Hauptchöre am Schluß der einzelnen Teile in die rechte Beziehung zueinander setzend. Damit erhielt das berühmte Halleluja seine anerkannte Zentralstellung, ohne daß Winkler dieser beinahe schon legendären Popularität durch irgendwelche Tempoerweichungen nachgegeben hätte.

Den Städtischen Chor hatte Hans Feldigl auf klangliche Hochform gebracht und ihn in allen Punkten sorgfältig vorbereitet, ohne aller­dings verhindern zu können, daß von der beabsichtigten Wirkung und Intensität nahezu die Hälfte durch die ungünstige Aufstellung des Chores in Fortfall kam. Die vielleicht beabsichtigte Verzahnung von Chor und Orchester erwies sich als unzweckmäßig. Die Trompeten kamen erst nach der Pause stärker durch, beim Halleluja sah man ihre Tätigkeit, zu hören war streckenweise kaum etwas. Von den Oboen haben wir beispielsweise den ganzen Abend nichts gehört.

Durchdringend und ausgewogen im Zusammenhang der Stimmen waren dagegen die Solisten. Händel hat im Vertrauen auf eine ihm zur Verfügung stehende Altistin mit großer Tiefe die Altpartie so angelegt, daß alle späteren ihm darob böse sein müssen. Hildegard Rütgers fand sich dennoch mit erstaunlichem Geschick und großer Ausdrucks­kraft in ihre Aufgabe. Obwohl man Evelyn Schildbach und Egil Frost­mann die dramatisierenden Bühnengestalter anmerkte, fanden sich beide dennoch gut in den gestillteren, nach innen gespannten Ora­torienton — Evelyn Schildbach mit sicherer und kräftig zeichnender Höhe, Egil Frostmann mit leuchtendem, blanken Material, das mit den gelegentlichen Patzern der Partie aussöhnte. — Absolut genau traf Hans-Olaf Hudemann dagegen in Timbre, Ausddruck und geradezu nachtwandlerischer Sicherheit und Musikalität die von Händel vorge­zeichnete Linie seiner Partie.

Das Städtische Orchester, zu dem Rita Hirschfeld als sattelfeste Cembalistin trat, spielte sehr einfühlsam und mit Delikatesse, als habe es sich seit Jahren ausschließlich der Pflege der Barockmusik verschrieben. — Eine saubere Aufführung ohne Pathos und unange­brachte Dramatisierung, mitreißend in Schwung und hell erstrahlend im Spiegel wahrer Musikalität. R.B.

*

Siehe auch: P. D.

Zuletzt geändert am