Philharmonischer Chor Kiel

Kieler Nachrichten, 26.11.1956

Ewige Ruhe . . .

Das „Deutsche Requiem“ in Sankt Petri, Kiel

Es war das „Deutsche Requiem“, das vor 90 Jahren den Ruhm von Johannes Brahms nachhaltig mitbegründete. Mit ihm fand er den Absprung zur großen und indirekt damit auch zur sinfonischen Form. Darüber hinaus ließ Meister Johannes klar erkennen, wie sehr ihm das Innere und Innerliche in Leben und Kunst das Entscheidende war. Das wollte in der zeitlichen Nähe und Nachbarschaft zu Liszt und Wagner allerhand heißen.

So wurde das, von ihm selbst in Text und Reihenfolge zusammen­gestellte „Deutsche Requiem“ mit seiner persönlichen Wärme, mit dem gemütvollen, tragenden Klang seiner 7 Sätze Hinweis und Bestä­tigung für die Deutschen, daß die Menschlichkeit, das Gefühl für meta­physische Zusammenhänge auch im 19. Jahrhundert in der Musik ihren Ort behalten würden.

Wie oft bei Brahms, ist dieser Grundzug menschlicher Wärme auch im „Requiem“ mitunter hinter spröder Erscheinung verborgen, aber er schimmert immer wieder durch, blüht auf in kurzen Uebergängen, im Kolorit eines ganzen Satzes, in strömender Wendung von Dur nach Moll (oder umgekehrt) und hat so im Laufe der Jahrzehnte das „Deutsche Requiem“ zum festen Bestand jedes großen Oratorien­chores werden lassen.

Der VdM in Kiel stellte das Werk als Chorkonzert außer Abonne­ment mit dem Städtischen Chor und Orchester unter Leitung von Georg C. Winkler in der Petrikirche in Kiel heraus. Die Einstudierung hatte dieses Mal der Korrepetitor der Städdtischen Bühnen, Hans Feldigl, besorgt. An der großen Verlässlichkeit des Chores dürfte er die Früchte seiner Arbeit erkennen. Der Leitung des Städtischen Musikdirektors fügten sich am Abend selbst Umriß und Gestaltung des Werkes, eindrücklich in den dramatisch gespannten Partien, ruhevoll in der Lyrik, in der schönen Geborgenheit des einleitenden und abschließenden „Selig sind . . .“, in der schweren, schreitenden Wucht „Denn alles Fleisch“, dessen Unisono mächtig aufbrandete. „Wie lieb­lich sind deine Wohnungen“ dagegen hört man oft weicher im Klang, auch romantisch-wärmer empfunden . . . so wie Brahms nach innen immer ein übervolles Herz hatte.

Im ganzen gesehen scheint der Städtische Chor mit seinem neuen Bestand an verjüngten Stimmen in bester Aufwärtsentwicklung zu sein, ganz besonders der homogene,sehr ansprechende Alt. Dem Baß möchte man etwas mehr Fülle und eigentlichen Fundamentsklang wünschen, dem Tenor ein paar Stimmen von metallischer Leuchtkraft. Der Sopran dürfte durch Uebung an weiteren Werken den vollen Aus­gleich in sich selbst und intonatorisch bald finden können.

Das Städtische Orchester sicherte in Begleitung und selbständigen Teilen die instrumentale Ergänzung, wobei freilich nicht immer die letzte Genauigkeit da war.

Sehr gut hatte Winkler die Frage der Solisten gelöst. Rose Finks heller tragfähiger Sopran ist großer Steigerung fähig, hat ein warmes Timbre, steht untadelig auf dem Atem und zeigt auch in der Gestal­tung schönste Erfüllung. Nicht ganz so glücklich war die Besetzung des Basses mit dem australischen Sänger Mino Yahia, da seine Diktion gar zu sehr von der Bühne her bestimmt ist. Dem stand freilich der herrliche, zugleich metallische und runde gedeckte Klang seines kraftvollen, männlichen Organs gegenüber. Die Unart des schleifenden Ansatzes beim anlautenden A dürfte der Sänger mühelos abstellen können.

Die Stadt Kiel als Kulturinstutition sei gebeten, die Frage des Rau­mes ernsthaft zu erwägen. Sicherlich waren es die Kälte einer vieler­orts zugigen Kirche, ihre Abgelegenheit, die wenig ansprechende Art der Heimkehr in überfüllter Straßenbahn, die ganze Bankreihen unbesetzt bleiben ließen. Ob für solche und ähnliche Fälle nicht das Theater frei zu machen wäre? Dr. H. St.

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