Philharmonischer Chor Kiel

Kieler Nachrichten, 08.02.1961

Kraft, Geist und Jubelklang

Lothar Ritterhoff spielte Strawinskys Violinkonzert

Ein Konzertprogramm, das sich frisch und unkonventionell gab — ein Solist, der, wohlvertraut mit der Moderne, sich bereits vor 14 Tagen mit der Erstaufführung des Strawinsky-Konzertes einen großen Erfolg erspielt hatte — ein Orchester, das unter Niklaus Aeschbachers mitreißender Leistung wie elektrisiert schien: das war ein reiner und strahlender Dreiklang, der begeisterte.

Daß der Bartok (Die „Sechs ungarischen Volkslieder“) noch nicht sogleich zu einem Höhepunkt wurde — trotz einiger schöner Ansätze — liegt im Werk begründet. Das Orchester interpretierte spritzig die zumeist schwermütigen Chorweisen: ein Dualismus, der nicht leicht zu überbrücken und zur Einheit zu fügen ist. Die Vorbereitung der Sänger (Frauenstimmen des Städtischen Chores, Einstudierung Hans Feldigl) und das Orchester ließen jedenfalls keinen Wunsch unerfüllt.

Gern hörten wir ein zweites Mal (nach der kürzlichen Erstauffüh­rung) das Violinkonzert Strawinskys. Was damals zuweilen fast noch ein wenig hektisch erschien, ist nun geglättet, ist sicher erfaßt, be­deutend getaltet, vollkommen gesteigert. Wiederum legte Lothar Ritterhoff all sein Können und seine Begeisterung in die Werkaus­deutung. Wiederum durfte man sich des nahtlosen Zusammengehens von (technisch ausgezeichneten) Solisten, Dirigenten und Orchester erfreuen, des federnden, prickelnden Miteinanders, der spritzig-gelösten und doch so kraftvollen Wiedergabe. Der Beifall war unge­wöhnlich herzlich und feierte die richtungweisende Leistung unseres Kieler Konzertmeisters.

In Dvoraks Vierter (op. 88), die nach der Pause erklang, jubelt und singt die Natur; es ist wie ein hymnischer Gesang auf den nahenden Frühling. Erfüllt von Vogelruf und Tanz, bietet Dvorak hier die ganze romantische Klangpalette auf, um diese innere Freudigkeit in Töne umzudeuten. Daß Aeschbacher die Sinfonie auswendig leitete, gab ihm besondere Möglichkeiten, sich ganz in das Werk und seine Inter­pretation zu versenken. So blieb nichts äußerlicher Effekt (auch nicht das Fanfarengeschmetter des Finalsatzes), sondern ein von Satz zu Satz gesteigerter, aus innerem So-Müssen geformter Jubelruf, der die Hörer mitriß.

Wie schon gesagt: es war ein reiner und strahlender Dreikang, dieses 6. Sinfoniekoknzert des Kieler „Vereins der Musikfreunde“ . . . R. B.

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Siehe auch: P. D.

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