Oldenburger Nachrichten, 29.05.1965
Festliche Chormusiktage Oldenburg
16 Oratorien- und Kammerchöre konzertieren
Oldenburg. Dank sei das erste Wort zu den Festlichen Chormusiktagen in Oldenburg: Dank allen Veranstaltern, daß sie diese Leistungsschau der im Verband deutscher Oratorien- und Kammerchöre (Landesverband Nordwest) zusammengeschlossenen Singgemeinschaften in Oldenburg statthaben lassen. ...
. . .
Hans-Joachim Marx, der seine Ausbildung in der Sowjetzone erhielt und seit einigen Jahren in der Bundesrepublik wirkt, stand bei der Uraufführung seines Chorwerks „Miserere“ selbst am Dirigentenpult vor dem Städtischen Chor Kiel und dem Rundfunkorchester Hannover. Die Sprache dieser Musik ist eine erweiterte Tonalität, in der sich alle klanglichen Härten der Satztechnik immer wieder auflösen. Kurze, allzu gleichförmig gebildete Motive werden oft wiederholt, gesteigert zwar, doch nützen sich solche Wirkungen rasch ab. Der Text, eine packende Klage eines verzweifelten vor Gott, ist sehr breit auskomponiert. Nach leidenschaftlichen Rufen, die in Resignation zu enden scheinen, schließt das Werk, das in einem weit ausgesponnenen Trauermarsch kulminiert hat.
Hier scheint ein Fall vorzuliegen, wo erst die Aufführung manche Schwächen enthüllt: Steigerungen, deren Energie sich vorzeitig verbraucht, eine Motivbildung, die zu gleichförmig ist, als daß sie innere Kontraste ermöglichte, wenn auch alle Mittel äußerer Differenzierung — Instrumentation und Dynamik — recht geschickt eingesetzt sind. Dabei erwies sich die Aufführung als vorzüglich einstudiert Der Chor zeigte Kraft, Sicherheit und Ausdrucksintensität, das Orchester musizierte präzis, sein Klang wirkte auf alle Effekte hin ausgehorcht. Mit bezwingender Intensität gab der Baß Claus Ocker den Klangrufen Ausdruck, mit den anderen Solisten — Sigrid Schmidt (Sopran), Johanna Görschler (Alt) und Naan Pöld (Tenor) — vereinigte er sich zu einem Quartett von ausgewogenem Zusammenklang.
. . .
Dr. Norbert Hampel