Philharmonischer Chor Kiel

Kieler Nachrichten, 24.02.1965

Seltene Vortragsfolge

Zum 6. Sinfoniekonzert des VdM im Kieler Stadttheater

Im 6.Sinfoniekonzert, das der Verein der Musikfreunde im Kieler Stadttheater veranstaltete, stellte sich Norbert Scherlich als Konzert­dirigent vor. Scherlich ist Chordirektor der Bühnen der Landeshaupt­stadt und Leiter des Städtischen Chores. So lag es nahe, ein Pro­gramm zu wählen, an dem der Chor entscheidenden Anteil hat. Mit Orazio Vecchis „L'Amfiparnaso“, Hindemiths „Aparebit repentina dies“ und Beethovens Fantasie für Klavier, Chor und Orchester op 80 war nicht nur dieses Anliegen erfüllt, sondern auch eine Vortragsfolge mit vielversprechenden, interessanten und seltener gehörten Werken zusammengestellt.

Allerdings zeigte schon die den Abend einleitende Madrigalkomö­die O. Vecchis die Grenzen, die dem Städtischen Chor gesetzt sind. Die stellenweise enorme Höhe wurde weder von den Tenören noch von den Sopranen mit der notwendigen Strahlkraft, Sauberkeit und Sicherheit erreicht. Darüber konnten auch manch klangschönes Piano oder der volle, satte Gesamtklang bei einigen langsamen Passagen nicht hinwegtäuschen. Die zum Teil zaghaften und zögernden Ein­sät­ze gingen ebenso zu Lasten der recht unbestimmten Dirigierweise Scherlichs wie die schwammige Rhythmisierung. Hier hätte mit varia­bler Agogik, lockeren Tonrepetitionen und mehr Temperament die Verwandtschaft dieser Madrigalkomödie zur Commedia dell'arte mit­sprechen dürfen.

Besser bewährte sich der Chor in Hindemiths wuchtigem geistli­chen Chorwerk „Apparebit repentina dies“. Der erste Teil wurde mit seinen drohenden Fanfarenmotiven, den vom Chor temperamentvoll nachgezeichneten rhythmischen Details, zu einer drohenden Vision des Jüngsten Gerichts. Eine reiche Skala an Ausdruckswerten, die mit einem hohen Maß an Klangfülle und einer sicheren Beweglichkeit in den Tempi gegeben wurde, verlieh dem zweiten Teil effektvolle Brillanz und musikalische Dichte. Ein Sonderlob muß den vortrefflichen Bläsern gezollt werden, die ihren Part souverän meisterten, wenn sie auch elegentlich den Chor zu verdecken drohten.

Mit Beethovens ungewöhnlicher Fantasie für Klavier, Chor und Orchester klang das Programm aus. Als Solistin hörte man Inge Güth. Bereits die präludierende Einleitung zeigte den Nuancenreichtum, den sorgfältig durchdachten Aufbau der Interpretation und die technische Sicherheit im Spiel. Etwas weniger Pedal hätte die Sensibilität des Anschlags noch deutlicher zum Tragen gebracht. Wunderbar die fast kammermusikliche Innigkeit der anschließenden Variationen mit ihrem verhaltenen, sehnsuchtsvollen Wechsel von Klavier und Soloinstru­menten. Sicher und tonlich einwandfrei begleiteten Orchester und Chor die Solistin bis zu dem sich im Tempo furios steigernden Schluß­teil, den der Dirigent zugunsten der Pianistin hätte stützen und dämpfen dürfen.

Herzlicher Beifall dankte der Solistin, dem Orchester, dem Chor und seinem Dirigenten. Dr. S.

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Siehe auch Dr. Hellmuth Steger

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