Philharmonischer Chor Kiel

Kieler Nachrichten, 29.11.1976

Orff für junge Leute

Matinee mit „Carmina burana“ im Kieler Opernhaus

Die Rollen schienen wie vertauscht: Die jungen Leute, deren Einsamkeit und Sehnsucht sich in Orffs „weltlichen Gesängen“ aus­drücken, saßen in erfreulich großer Zahl im Parkett und Rängen des Opernhauses — doch nur als stille Zuhörer. Von der Bühne dagegen tönte es eher gekonnt, Chor und Orchester der Stadt Kiel bewältigten die „Carmina burana“ mit solider Sicherheit und wissender Erfahrung.

Darüber hinaus fragt man sich, wie immer nach einer Aufführung dieser Orchesterversion, ob nicht auch seine eigene Erfahrung von der Unzulänglichkeit allzu großen Aufwandes den Komponisten dazu bewegte, eine neue, mit nur zwei Klavieren und Schlagwerk so viel durchsichtigere Fassung herzustellen. Denn unvermeidbare Weitläu­figkeit, des Raumes wie der Stimmen, verhinderten eher jenes haut­nahe Ungetüm und naiv Direkte der Lieder, das er noch selbst wollte.

Nicht daß Mängel an Perfektion (infolge von zu wenig Proben) ins Gewicht fielen, sie brachten eher willkommenen Hauch von „volkstüm­lich loser Lyrik“ ins Geschehen. Aber der Chor, gedacht als Mittelpunkt und von Instrumenten nur begleitet, wurde von ihrer Fülle in den Hintergrund gedrängt. Daß Eberhard Schenk ihn sorgfältig auf seine klangvolle Aufgabe vorbereitet hatte, das sah man häufig nur; und wenn man ihn hörte, drang meist doch nur Ton an sich ans Ohr, nicht aber seine Qualität oder gar Text.

Selbst die Solisten an der Rampe hatten es den Klanggewalten gegenüber schwer, doch brachten sie Schmunzeln und Ironie ins Spiel: Heinz Hermann Jünemann falsettierend als gebratener Schwan, Richard Salter als Abt aus Kukanien temperamentvoll psalmodierend. Julia Kemp sorgte in ihren ruhigeren, gefühlsbetonten Liedern mit weichem schönen Sopran für Ausgleich gegenüber so viel Tumult. Klaus E. Schneider am Pult leitete straff und entlockte den Philhar­monikern vital-rhythmischen Klang.

Dieses erste Konzert für junge Leute ist wohl am besten verstan­den als Aufforderung, „Carmina burana“ an Schulen selbst aufzufüh­ren. Wer bei einem solchen Schulkonzert mittun kann, bedarf auch der mehr pauschal-mühsam erläuternden Worte nicht (die hier Dramaturg Wichmann gab): Dann versteht sich diese Musik auf beglückende Weise von selbst. E.T.

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