Philharmonischer Chor Kiel

Kieler Nachrichten, 24.04.1967

Der glückliche Orff

Kiels Städtischer Chor führte im Schloß die „Carmina Burana“ auf

Das Glück, sagte man schon zur Zeit der Minnesänger und der fahrenden Scholaren, sei wechselhaft, ein Tor, wer sich darauf ver­lasse. Carl Orff, dem bayerischen Einzelgänger, war es hold. Nicht nur fand er mit den „Carmina Burana“ seinen eigenen Stil, die unverkenn­bar persönliche Sprache; das Werk gehört dreißig Jahre nach der Uraufführung, am 8. Juni 1937, noch immer zu den beliebtesten Auf­gaben der Chorvereinigungen in der Alten und in der Neuen Welt. Al­lerdings wird es nur noch selten „imaginibus magicis“, mit magischen Bildern, das heißt: im Theater aufgeführt. Der Konzertsaal hat der Szene den Rang abgelaufen. Aber auch so steht fest, daß die Lieder aus Benediktbeuren einen Platz ganz oben auf der „Rota Fortunae“, dem Riesenrad des Glücks, einnehmen.

Die Kieler Aufführung unter Norbert Scherlich, dem mit knappen, genauen Gesten dirigierenden Chordirektor der Bühnen der Landes­hauptstadt und Leiter des Städtischen Chors, brachte eine Variante der „Carmina“: das Orchester reduziert auf zwei Klaviere und Schlag­werk. Diese Fassung, die vom Komponisten selbst stammt, besitzt durchaus ihren eigenen Reiz. Das Klangbild wird herber, erhält zuweilen etwas Holzschnitthaftes. Lediglich bei den instrumentalen Zwischenspielen und bei der Begleitung der Solostimmen könnte Substanzverlust beklagt werden. Hier vermißt man doch sehr die Farbe, die von Orff in der Orchesterpartitur so raffiniert eingesetzten Bläser, das Quartett.

Scherlich ließ die Rhythmen lebendig pulsieren. Seine Sänger gingen glänzend mit. Der gut geschulte Chor, mit spürbarer Freude bei der Sache, artikulierte sauber. intonierte recht sicher und erwies sich im Zusammenhang der Stimmlagen als ausgewogen. Mächtig, blockhaft geschlossen, rahmte das „O Fortuna“ die drei Teile des Zyklus, Bekenntnis des mittelalterlichen Menschen zu seiner Weltsicht. Spielerisch erklangen die Frühlingslieder, burlesk und mit einem Gran Ironie die Zechgesänge. Voll wechselnder Stimmungen waren die Strophen des Cour d'Amour.

Die Sopran-Soli sang Helen Bovbjerg mit feiner, klarer Stimme; Heinz-H. Jünemann, der Tenor, sorgte für Heiterkeit mit einem urkomi­schen Schwanen-Falsett; Wilhelm Hruschka setzte seinen kraftvollen Bariton dramatisch gestaltend ein; Morris Morgan bewältigte ge­schickt das „Dies, nox et omnia“, wo er in Tenorhöhe Belcanto zu singen hatte, fühlte sich aber in der sonoren Baritonlage sichtlich wohler; sehr ansprechend Reimar Koschorreks schlanker, beweglich geführter Baß.

Vorzüglich aufeinander eingestellt waren Heinz-Werder Faust und Kai Hauschildt an den beiden Flügeln. Bestechende Spielpräzision bot, von geringfügigen Abweichungen abgesehen, die Schlagzeuggruppe: Kurt Ermiling, Holger Garbs, Emil Poralla, Peter Wirweitzki und Werner Wölk.

Eine gute Aufführung, die im fast ausverkauften Schloßsaal stürmi­schen Beifall fand. R.G.

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Siehe auch (-se)

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