Philharmonischer Chor Kiel

Kieler Nachrichten, 12.04.1966

Romantik und Moderne

Eindrucksvolle Kirchenmusik in Rendsburg

Mussikdirektor Hans-Joachim Marx, der Komponist einer vor zwei Jahren uraufgeführten „Rendsburg-Kantate“ brachte am Karfreitag in der Christkirche sein „Miserere“ für Soli, gemischten Chor und Orche­ster zur Aufführung. Mitwirkende waren hierbei der Städtische Chor Kiel, ein Solistenquartett der Landesbühne Schleswig-Holstein und das verstärkte Orchester der Landesbühne. Die Leitung hatte der Komponist.

Die neue Schöpfung ist zwar ein geistliches Chorwerk, das sich einer alttestamentlichen Textunterlage bedient; es spricht aber die herbe Sprache moderner Musik und will — im Gegensatz zur älteren musica sacra — den Hörer eher erschüttern als erheben. Diesem Ziel dient eine kompromißlose Polyphonie ebenso wie eine spannungs­geladene Harmonik und eine oft erregende Rhythmik. Dennoch war der Komponist offenbar bemüht, für die Singstimmen melodisch zu schreiben.

Ein hohes Lob verdiente bei dieser Aufführung vor allem der leistungsfähige Chor, der trotz großer Anforderungen außerordentlich sauber und klangschön sang, ohne dabei die deutliche Aussprache des lateinischen Textes zu vernachlässigen.

Die Gruppe der vier Solisten Bruni Hinz (Sopran), Karin Hoffmeister (Alt), Alexander Schlischefsky (Tenor) und Günter Merlau (Bariton), die mit dem Chor abwechselte, war ebenfalls um einen schönen und ausdrucksvollen Gesang bemüht; doch erreichte sie nicht immer eine völlige Konsonanz der Stimmen.

Das Orchester erfüllte seine vorwiegend begleitende Aufgabe diszipliniert und nach besten Kräften, ohne aber in allen Sätzen einen ganz homogenen Klang zu erzielen. Zudem störte zuweilen das Übergewicht der Bläser.

Das Werk klang gewichtig aus mit einem zusammenfassenden Interludium der Instrumente und dem eigenartigen Schlußsatz über einem unheimlichen Ostinato-Baß.

Das an zweiter Stelle des Programms stehende „Deutsche Requi­em“ von Johannes Brahms kontrastierte stark mit dem vorangehen­den Werk. Sein vertrauter deutscher Text, sein tiefer Ausdruck und seine meisterhafte Satzkunst beeindruckten die große Zuhörerschaft. In der Ausführung befremdete allerdings einerseits die ungewöhn­liche Beschleunigung der Tempi, besonders im ersten und zweiten Satz, andererseits die wiederholte Übertreibung der dynamischen Steigerungen, die mehrfach zu einer Überdeckung des Chorklangs durch Streicher oder Bläser führte.

Neben dem auch hier stets bewährten Chor verdient von den beiden Solisten Bruni Hinz und Günter Merlau in erster Linie die Sopranistin Anerkennung, die ihre schöne Partie eindrucksvoll gestaltete und nur zuletzt eine geringe Ermüdung zeigte. Günter Merlaus offenbar noch in der Entwicklung begriffener Bariton war dagegen den hier gestellten Anforderungen nicht voll gewachsen.

(-s)

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Siehe auch E.M.F

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