Volkszeitung, 12.05.1967
Ein Lied von der Erde
VdM-Sonderkonzert zur Kieler Woche: Haydns „Jahreszeiten“
Haydns schöne Kantatenfolge als Sonderkonzert im Schloß. Der Saal war voll; ergriffen und entzückt vernahm das Publikum den großen Lobgesang auf eine heile, unzerstörbar scheinende Welt, eine Welt, die der Mensch nicht — wie in der „Schöpfung“ — krönt, in die er aber freudig dienend einbezogen ist, ein froher Ackermann, ein muntrer Hirt, ein lustiger Winzer und Jäger. Fromm bestaunt er die Wunder der sich verwandelnden Natur, willig unterwirft er sich ihnen, mit Fleiß und Tugend preist er ihren Schöpfer: ewiger, mächtiger, gütiger Gott!
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Ein herrliches Werk. Herrlich, weil diese gläubige Sicherheit, in der besten aller Welten zu leben, ganz durchtränkt ist von der Kraft und geistigen Würde des großen Musikers. Weil Haydn ein einfacher und bedeutender Mann war, ein Genie reinen Herzens. Sein Naturgefühl, seine Frömmigkeit, sein von Grund auf heiteres Naturell blieben immer ungebrochen. Aber wenn er die Sonne aufgehen läßt — und er braucht nur acht Takte dafür —, so ist das dennoch weit mehr als naive Naturmalerei: ein neuer Tag beginnt; wir dürfen weiterleben; die Erde hat wieder Zukunft.
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Die Aufführung unter GMD Gerhard Mandl zeichnete sich durch frischen Zugriff und schöne Differenzierung aus. Alles Malerische erschien ausdrucksvoll belebt, hatte Anmut und Poesie, kräftigen rhythmischen Akzent, ohne je derb oder überzeichnet zu wirken. Ein natürliches Espressivo, eine mit Stilgefühl abgewogene Dynamik, eine gewisse Ruhe und zugleich Elastizität der Tempi gaben Haydn sein ganzes Recht. — Die Chöre (Einstudierung: Norbert Scherlich) waren in sich sauber durchgeformt und sehr überzeugend in die Gesamtaufführung eingebunden. Der Städtische Chor Kiel, verstärkt durch Mitglieder des Theaterchores, scheint an Leuchtkraft zu gewinnen — und dies gilt keineswegs nur für die Frauenstimmen. Sehr beteiligt, elegant in den Soli, musizierte das Städtische Orchester. Daß man am Ende ein wenig ermüdet war — nun, fast drei Stunden der Freude an dieser schönen und immerzu so erfreulichen Welt sind für uns heute eben nicht mehr ganz mühelos nachzuvollziehen.
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Das Solistenterzett, in diesem Werk sehr beansprucht, hatte ebenfalls Format. Sonja Schöner ist allerdings, bei aller Kultiviertheit ihres spielerisch leicht geführten Soprans, so flach, so nichts-als-silbrig, daß der guten Hanne jede lyrische Dimension fehlte. Günter Morbachs Baß hat Kraft, Volumen, auch Fähigkeit, nachdrücklich und farbig zu erzählen, schien aber technisch an diesem Abend nicht ganz ausgeglichen, kam nicht ohne Sprödigkeit über manche Klippen, vor allem des Registerwechsels. Martin Häusler bestach wieder durch seine souveräne Stilsicherheit; die Lukas-Partie erlaubt ihm nur selten, mit seinem ganzen Tenorglanz zu prunken. Heinz Werner Faust am Cembalo und der Cello-Konzertmeister Valdis Zakis (Basso continuo) gaben sichere Stützen.
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Es war ein großer Erfolg. Endloser Applaus, begeisterte Bravo-Rufe. S. M.
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Siehe auch R. G.