Kieler Nachrichten, 18.12.2023
VON CHRISTIAN STREHK
KIEL. Noch bevor das Theater Kiel am dritten Adventsabend in der restlos ausverkauften „Philharmonie in der Wunderino Arena“ mit ihren Akademien alle ganz jungen Kräfte mit den Gestandenen und den Profis zum großen „Alle-Jahre-wieder“-Weihnachtskonzert bündelte, gab es im regulären Vormittagskonzert zusätzlich Grund zum Aufhorchen. Denn am Pult stand mit Sebastian Lang-Lessing der dritte GMD-Kandidat in der Finalrunde.
Der amtierende Musikdirektor der Korean National Opera in Seoul kann sich tatsächlich vorstellen, als Nachfolger Benjamin Reiners Generalmusikdirektor in Kiel zu werden und damit nach Stationen in Frankreich, Asien, Nordamerika und Australien nach Deutschland zurückzukehren, wo er als Assistent von Hamburgs GMD Gerd Albrecht und vor allem an der Deutschen Oper Berlin in den Neunziger Jahren eine Karriere begann.
Das vorweihnachtlich angehauchte Programm wies ihn in der zusätzlich zum Mitsing-Eventgut besuchten Arena als gewieft würzenden Klangregisseur aus. Lang-Lessing bewies schon im komplexen Räderwerk von Engelbert Humperdincks „Königskinder“-Overtüre, dass er die Philharmoniker mit Tempo- und Energieschüben zu Tönen mit Aura und Glanz motivieren kann.
Das kam später auch der Suite aus der Oper „Die Nacht vor Weihnachten“ zugute, in der Russlands spätromantischer Instrumentationsmagier Nikolai Rimski-Korsakow erstaunlich reich glitzernde Bescherungseffekte schafft, die aber auch entsprechend gekonnter Austarierung bedürfen.
Als menschliche Farbe kam hier der gut von Gerald Krammer einstudierte und nur an wenigen Stellen zu matt klingende Philharmonische Chor hinzu, der seine größere Aufgabe, die Weihnachtshymne op. 62 von Max Bruch, noch vor sich hatte.
Diesen „Gruß an die heilige Nacht“, von Chor und Orchester sehr natürlich gemeinsam in sanft auf- und verblühende Feststimmung versetzt, bewahrte der Dirigent mit bloßen Händen geschickt vor dräuendem Kitsch. Sehr schön auch der Altsolo-Beitrag der ungeprobt einspringenden Mezzosopranistin Geneviève Tschumi, die die Rarität zum Glück von einer Hamburger Aufführung im Jahr2018 her kannte.
Dass Lang-Lessing durch die zimtsternige Repertoire-Vorgabe keine Chance hatte, sich als struktureller Gestalter einer Symphonie zu bewähren, macht es dem Orchester wahrscheinlich nicht leicht beim Vergleich mit Daniel Carter und Gabriel Feltz. Dafür konnte er Souveränität als Partner eines Virtuosen beweisen.
Denn Franz Liszts in Organistenkreisen so geliebte wie gefürchtete Fantasie und Fuge über Meyerbeeers Opernchoral „Ad nos, ad salutarem undam“ wird jenseits einer gnädig halligen Kathedralakustik und im Arrangement für Orgel und Orchester von Marcel Dupré keineswegs leichtgängiger.
Christian Schmitt besstätigte auch in der reinen Fußarbeit der Langlais-Zugabe, dass er eine der Top-Adressen in der Szene ist. Mit Bravour zog er alle 'Register, um Liszts sakrales Hexenwerk auf den Manualen und Pedalen seines in der Philharmonie Essen mit Klängen „aufgeladenen“ Digitalinstruments rasant zu servieren.
Da musste Lang-Lessing Kontakt halten und mit den Orchestermusikern Paroli bieten. Denn die Orgel war manchmal vorlaut und konnte ihren eher technischen Sound nicht verleugnen. Deshalb war der mystische Adagio-Mittelteil, eingeleitet von der Cello-Gruppe und sehr sensibel modelliert vom Dirigenten, auch das größte Vergnügen.
Nun wird es spannend, was die Nachfolge von GMD Benjamin Reiners ab Mitte 2024 angeht: Daniel Carter, Gabriel Feltz oder Sebastian Lang-Lessing: „Es wird angestrebt, das Ergebnis der Kieler GMD-Suche zeitnah nach dem letzten Finale bekanntzugeben“, hieß es dazu vom Theater Kiel.