Philharmonischer Chor Kiel

Kieler Neueste Nachrichten, 16.01.1934

Der Zoologische Garten.

Eine Liederfolge für Einzelstimmen, Chor und Orchester von Erwin Zillinger.

Erstaufführung in Kiel.

Es ist ein eigenartig-reizvolles Werk, dieser „Zoologische Garten“. Ein Werk, das in unsere Zeit paßt. Einmal deswegen, weil es in Rück­sicht auf seine kammermusikalische Form der durch die beschränkten Mittel gebundenen Aufführungsmöglichkeit in mittleren und kleinen Städten durchaus entgegenkommt. Sodann und vor allem aber des­wegen, weil es mit seiner Problemstellung: Mensch und Tier einer hohen sittlichen Forderung Rechnung trägt, die wir heute im dritten Reich wieder erneut und mit erhöhtem Nachdruck stellen: Tierliebe. Im Schrifttum ist dies Problem bekanntlich schon behandelt. So bei Emil von Schönaich-Carolath im „Heiland der Tiere“. In Gedichten Schön­lanks, Rilkes, H. Claudius u.a. fand Erwin Zillinger den Stoff zu seiner musikalisch- künstlerischen Gestaltung vor. In der Musiklitera­tur hingegen tritt das Thema „Mensch und Tier“ mit Zillingers Werk zum ersten Male hervor.

Der „Zoologische Garten“ ist eine Folge von 18 Liedern mit einem „Ausblick“ genannten abschließenden Wechselgesang zwischen Chor und Solisten. Sein Stimmungsgehalt entwickelt sich von einfach-naiven Schaulustempfindungen des ersten Teils, bei denen freilich im Unterton auch schon die Tierliebe mitschwingt, über tiefe Regungen menschlichen Mitgefühls mit der gequälten Tierwelt im zweiten bis zur anbetenden Verehrung der Gottheit vor der gesamten Schöpfung im dritten Teil des Werks. Der klangliche Apparat, der dem Komponisten zur Verwirklichung seiner künstlerischen Absichten dient, besteht aus kleinem Orchester mit Klavier und Schlagzeug, vierstimmigem Chor und zwei Solisten. Ihn weiß Zillinger vortrefflich zu handhaben. Bei aller Charakeristik bleibt die Farbengebung überwiegend dezent. Sie erscheint oft wie von feinen Pastellstiften gezeichnet und trifft die Stimmung immer vortrefflich, ganz besonders in den wertvollen Musik­stücken des zweiten Teils, in dem wir den künstlerischen Höhepunkt des Ganzen erkennen.

Diese im besten Sinne des Wortes moderne Instrumentierung erhält ihre besondere Note wiederholt durch ein sozusagen konzer­tierendes Instrument, so durch das Saxophon, das in der melodischen Gestaltung seiner Stimme sehr apart behandelt ist; gelegentlich auch durch die kleine Flöte und die Solovioline (18. Lied). So runden sich zu besonders feinen Stimmungsbildern das 12. Lied „Der Adler“ mit der charakteristischen Trompeteneinleitung, die hier den so bezeich­nenden Gegensatz betont zwischen Felsen und Hochwald einerseits und der Enge des Käfigs anderseits; das 13. Lied „Affenmutter“ , wo sich die weiche, wiegenliedartige Melodie äußerst charakteristisch abhebt von den leisen Pizzikato-Bässen auf Tonika und Dominante der Begleitung und das 16. Lied in As-Dur „Schwan“ mit seiner schönen Begleitung von Flöte, Violine und Cello zu den auf- und abwogenden Sechzehntelfiguren im Klavier. Sehr fein wirkt auch der Chorsatz „Regentag im Zoo“ mit dem im Orchester leise markierten Tropfenfall; wie denn überhaupt Zillinger einen klangvollen, übersicht­lichen und aufgelockerten, flotten Chorsatz zu schreiben versteht Sehr wirkungsvoll ist der Abschluß des Ganzen, insbesondere von der Stelle ab „Und ein Friede ohnegleichen“, wo sich die Musik in das lichte A-Dur wendet, um nach kurzer Unterbrechung durch das Baritonsolo im Verein von Chor und Solisten zu mächtigem Auf- und Ausklang sich zu erheben. Unter Hans Gahlenbecks tempera­mentvoller, energischer und umsichtiger Leitung setzte sich das lie­benswürdige Werk auch bei uns in Kiel auf der gan­zen Linie siegreich durch. Der Städtische a-cappella-Chor bewies erneut seine vortreffliche Schulung und seine musikalisch-künstlerische Schlagfertigkeit. Unter den Solsiten ragte Paul Gümmer aus Hannover hervor. Sein umfangreicher, in allen Lagen schön ausgeglichener, weicher Bariton war ihm ein gefügiges Instrument in der von plastischem Vortrag gestützten Ausdeutung seiner dankbaren Partie. Aber auch Charlotte Achepohl (Kiel) vermochte schätzenswertes gesanglich-musikalisches Können und wohldurchdachten Vortrag an eine erfolgreiche Durchführung ihrer nicht minder wertvollen Aufgabe zu setzen. Am Flügel wirkte an Stelle des im Programm angekündigten Komponisten mit geschickter Anpassung Herr Straßer. Ebenso sei anerkennend des unter Gahlenbecks sicherer Führung mit Hingebung und guter Klang­wirkung musizierenden Orchesters (bestehend aus arbeitslosen Kieler Musikern) gedacht. Werk und Aufführung fanden mit Recht sehr bald lebhafteste Zustimmung seitens der offenbar stark interessier­ten Hörerschaft. Komponist, Dirigent und Solisten konnten am Schlus­se wiederholt vor den stürmisch applaudierenden Hörern erscheinen.

W. O.

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Siehe auch Mß. oder Prof. Bernhard Iversen.

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