Philharmonischer Chor Kiel

Kieler Neueste Nachrichten, 18.06.1926

Schwedisches Musikfest in Kiel.

Kirchenkonzert in der Nikolaikirche.

Mit einem stark besuchten Kirchenkonzert begann das Fest, das uns mit den Werken der bedeutendsten Tondichter Schwedens bekannt machen will. Auf dem Gebiet der kirchlichen Musik stehen die schwedischen Komponisten stark unter deutschem Einfluß. Kein Wunder. Denn während die eigentliche Volksmusik in ihren Liedern und Tanzweisen schon seit langer Zeit ihr bestimmtes natio­nales Gepräge hatte, ist die Pflege der Kunstmusik bei diesem freundnachbarlichen Germanenvolk erst wenige Jahrzehnte alt; sie fußt ganz unverkennbar auf deutschen Klassikern. Nicht als ob die beiden Vertreter geistlicher Musik, die wir Mittwoch abend hörten, nur Nachahmer wären. Im Gegenteil: sie wissen sowohl in den Gesang­stimmen wie im Orchester viel Schönes und Eigenartiges zu erfinden. Weiche, sonnenschöne Melodien, herbe, winterliche Klänge in reicher, trefflicher Ausgestaltung erfreuen Ohr und Herz. Aber wenn sie auch ihren Werken eine persönliche Note im einzelnen wohl zu geben wissen, im Gesamtausdruck dagegen, im feierlichen Lobgesang zu Ehren des Höchsten wie in den eindringlichen Bitten um Bewahrung vor den Schrecken des jüngsten Gerichts kann ein Volk gleichen Stammes und Glaubens keine ergreifenderen Töne finden als Bach und Brahms vor ihm.

Das Tedeum des Stockholmer Organisten Otto Olsson ist fein gearbeitet. Zu dem gemischten Chor treten Streichorchester, Harfe und Orgel hinzu, die entweder in anschaulicher Stimmungsmale­rei den Gesang umweben oder als selbständige Zwischenspiele von Lob und Dank zu Bitte und Gebet überleiten wollen. Eine Vielseitigkeit in der Behandlung der einzelnen Teile, die bald im unisono bald mit einer Chorstimme, dann wieder mit einem weit ausgesponnenen Orgelpunkt beginnen, hält die Anteilnahme dauernd wach, bis das Ganze in einem breiten und wuchtigen Schlußgesang ausklingt.

Die dann folgenden Orgelvorträge traten etwas zurück. Emil Sjögren kann in dem Präludium und der Fuge Op. 49 trotz ihrer wirkungsvollen Steigerung kein größeres Interesse wecken; die Themen sind durchweg zu locker behandelt. Auch die Choralfantasie von Patrick Bretblad ist in ihrem ernsten, allgemein gehaltenen Teil zu breit ausgesponnen. Erst mit dem schärferen Hervortreten des Chorals, der im übrigen unserem Adventschoral „Macht hoch die Tür, die Tore weit“ ähnelt, erscheinen wirksame Variationen, die mit dem kraftvoll intonierten Choral abschließen.

Das Requiem für gemischten Chor, Solostimmen und Orchester von Oskar Lindberg ist eine großangelegte Komposition, die viel Erfinder- und Darstellergabe verrät. Die musikalische Schilderung des jüngsten Gerichts geht zwar nicht durch Mark und Bein. Dafür verweilt Lindberg um so lieber bei dem Beten der geängstigten Seele, die um Gnade und ewigen Frieden fleht. Gerade solche Stimmungen versteht er meisterlich auszumalen. Er hat eine Vorliebe für Orgelpunkte und Sequenzen, und im Orchester läßt er die an alle Schrecken des jüngsten Tages mahnenden Trompeten auch bei den Bittgesängen erklingen. Als Glanzpunkte dürften das gewaltige „Sanctus“ mit der prachtvollen „Hosiannafuge“, das energische „sed signifer sanctus Michael!“ und das „Agnus Dei“ mit dem zarten Zwischenspiel der Streichinstru­mente anzusehen sein. —

Den Solisten fallen sowohl im Einzel- wie im Quartettgesang recht bedeutende Aufgaben zu. Greta Söderman überstrahlte mit ihrem kraftvollen Sopran mühelos den Chor. Kerstin Thorborgs warmer und voller Alt konnte sich im ersten Satz dem Chor gegenüber mühelos behaupten und im Einzelgesang zeigten beide seelenvollen Vortrag. Dr. Hans Hoffmanns lyrischer Tenor war für die Wieder­gabe des kurzen „Oro supplex et acclinis“ recht geeignet, während der Bassist Walter Sommermeyer aus Hamburg erst allmählich eine Indisposition hinunterkämpfen mußte. — In der Wiedergabe des Orgelpräludiums und der Fuge von Sjögren zeigte Oskar Deffner seine bekannte Meisterschaft, und Patrick Bretblad führte seine Choralfantasie als gewandter Organist selbst vor.

Der große, aus dem Oratorienverein und der Liedertafel zusam­mengesetzte Festchor hatte unter Professor Steins Führung viel mühevolle Vorarbeit geleistet. Die Tenöre wiesen diesmal nicht die gewohnte Frische auf, und hin und wieder gab es im Gesamtchor leichte Tonschwankungen. Im ganzen aber hielt sich der Chor tapfer, so daß ihm wie seinem Leiter viel Dank und Anerkennung gebührt. Jedenfalls war es von höchstem Interesse, die Werkezeitgenössischer schwedischer Kirchenkomponisten in so trefflicher Ausführung zu hören. Ms.

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